Sharpes Feuerprobe
britischen Berater verlassen, und die Schatzkammer des Radschas würde für den Unterhalt der britischen Truppen benötigt werden. Doch wenn Tippu siegte, dachte Appah Rao, würden die Franzosen kommen, und welchen Beweis gab es, dass sie besser waren als die Briten?
Er stand über dem südlichen Tor und warte darauf, dass der Feind aus den Schützengräben auftauchte und die Stadt angriff, und er fühlte sich wie im Würgegriff zweier unversöhnlicher Kräfte.
Wenn er weniger besonnen gewesen wäre, hätte er vielleicht offen gegen Tippu rebelliert und seinen Soldaten befohlen, die Briten bei ihrer Invasion zu unterstützen, doch solch ein Risiko war zu groß für einen vorsichtigen Mann. Aber wenn Tippu die heutige Schlacht verlor und Appah Rao als loyal gegenüber dem besiegten Mann empfunden wurde, welche Zukunft hatte er dann?
Welche Seite auch immer gewinnen wird, ich würde verlieren, dachte Appah Rao. Aber es gab einen kleinen Akt, mit dem er sich das Überleben bei einer Niederlage sichern konnte.
Er ging zum Ende des vorspringenden Kavaliers, winkte die Kanoniere dort von ihrer Kanone fort und rief Kunwar Singh zu sich.
»Wo sind deine Männer?«, fragte er Singh.
»Beim Haus, Herr.« Kunwar Singh war Soldat, aber in keinem der cushoons Tippus. Seine Loyalität galt seinem Verwandten, Appah Rao, und seine Pflicht war es, Appah Rao und dessen Familie zu schützen.
»Nimm dir sechs Männer«, sagte der General, »und sorge dafür, dass sie nicht mit meiner Uniform bekleidet sind. Dann geh zu den Kerkern und zu Colonel McCandless, und bring ihn in mein Haus. Er spricht unsere Sprache, gewinne also sein Vertrauen, indem du ihn daran erinnerst, dass du mit mir zum Tempel von Somanathapura kamst, und sag ihm, dass ich ihm vertraue, meine Familie am Leben zu erhalten.«
Der General hatte südwärts gestarrt, als er gesprochen hatte, doch er wandte sich jetzt um und schaute Kunwar Singh in die Augen. »Wenn die Briten in die Stadt kommen, wird McCandless unsere Frauen beschützen.«
Appah Rao fügte diese letzte Versicherung hinzu, wie um seinen Befehl zu rechtfertigen, doch Kunwar Singh zögerte immer noch. Singh war ein loyaler Mann, doch diese Loyalität wurde gefährlich überbeansprucht, denn er wurde gebeten, gegen Tippu zu rebellieren. Es konnte sein, dass er Tippus Männer töten musste, um diesen feindlichen Soldaten zu befreien, und Appah Rao verstand Singhs Zögern.
»Tu dies für mich, Kunwar Singh«, versprach der General, »und ich werde dir das Land deiner Familie wiedergeben.«
»Herr«, sagte Kunwar Singh, trat zurück, machte eine Kehrtwendung und marschierte davon.
Appah Rao schaute ihm nach, dann starrte er an der südwestlichen Ecke der Stadt vorbei, wo er einen Teil der feindlichen Schützengräben überblicken konnte. Mittag war vorüber, und es gab immer noch kein Anzeichen auf Leben in den britischen Linien, abgesehen von gelegentlichem Geschützbeschuss.
Wenn Tippu diesen Tag gewinnt, dachte Appah Rao, würde sein Zorn über McCandless’ Verschwinden schrecklich sein. In diesem Fall, sagte sich Appah Rao, würde McCandless sterben müssen, bevor er jemals entdeckt und die Wahrheit aus ihm herausgeprügelt werden konnte. Doch wenn Tippu verlor, war McCandless Appah Raos beste Garantie fürs Überleben. Und ein Hindu, der in einem moslemischen Staat lebte, war ein Experte im Überleben. Appah Rao wusste, dass er trotz des Risikos, das er einging, das Beste getan hatte. Er zog seinen Säbel, küsste die Klinge, um sich Glück zu wünschen, und wartete dann auf den Angriff.
Kunwar Singh brauchte nur eine Minute bis zum Haus des Generals. Er befahl sechs seiner besten Männer, die Waffenröcke abzulegen, die Appah Raos Abzeichen trugen, und stattdessen die tigergestreifte Uniform anzuziehen. Er selbst wechselte seinen eigenen Rock, dann lieh er sich aus der Schatztruhe des Generals eine goldene Kette mit einem juwelenbesetzten Anhänger. Solche Juwelen waren ein Zeichen von Machtbefugnis in der Stadt, und Kunwar Singh nahm an, dass er sie brauchen würde. Er bewaffnete sich mit einer Pistole und einem Säbel und wartete dann auf seine ausgewählte Gruppe.
Mary kam in den Hof und wollte wissen, was los war. In der Stadt herrschte eine sonderbare Ruhe, und die britischen Geschütze, die seit Tagen so schnell gedonnert hatten, waren jetzt nur noch selten zu hören. Die Stille hatte etwas Unheilvolles und machte Mary nervös.
»Wir nehmen an, die Briten kommen«, sagte Kunwar
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