Sharpes Feuerprobe
Geschwindschritt! Im Geschwindschritt!«, rief Colonel Wellesley.
»Lasst sie nicht zu sich kommen, schreit Hurra, Jungs!«, rief Sergeant Green. »Schnappt sie euch! Tötet die Scheißkerle!«
Sharpe dachte jetzt nicht ans Desertieren, denn jetzt würde er kämpfen. Wenn es einen guten Grund dafür gab, zur Armee zu gehen, dann war es der Kampf. Nicht, sich zu langweilen und nichts zu tun, sondern die Feinde des Königs zu bekämpfen, und dieser Feind war von der schrecklichen Gewalt der Salve aus kurzer Distanz geschockt und starrte entsetzt auf die Rotröcke, die schreiend auf sie zurannten.
Das 33. Regiment, befreit von der strengen Disziplin in den Reihen, griff ungestüm an. Voraus war Kriegsbeute. Beute und Nahrung und benommene Männer zum Abschlachten, und es gab nur wenige Männer im 33., die keinen guten Kampf mochten. Nicht viele waren aus Patriotismus zur Armee gegangen. Stattdessen hatten sie – wie Sharpe – den Sold des Königs genommen, weil Hunger oder Verzweiflung sie gezwungen hatten, die Uniform anzuziehen, doch sie waren trotzdem gute Soldaten. Sie kamen aus den Gossen von Britannien, wo ein Mann nicht durch Klugheit, sondern durch Rohheit und Grausamkeit überlebte. Sie waren Raufbolde und geborene Bastarde, die nichts zu verlieren hatten außer zwei Pence pro Tag.
Sharpe brüllte, als er rannte. Die Sepoy-Bataillone näherten sich von links, aber jetzt waren ihre Musketen nicht nötig, denn Tippus berühmte Tiger-Infanterie blieb an diesem Nachmittag nicht, um zu kämpfen. Die Männer wichen zurück, wandten sich zur Flucht, und dann, von Norden, wo sie halb verborgen bei den Bäumen mit den roten Blüten gewesen waren, griff die britische und indische Kavallerie zum Angriffssignal einer Trompete an. Lanzen wurden gesenkt und Säbel hochgehalten, als die Reiter in die Flanke des Feindes donnerten.
Tippus Infanterie flüchtete. Ein paar, die Glücklichen, krochen zurück auf die Anhöhe, doch die meisten erwischte es auf dem offenen Gelände zwischen der 33. und dem Hang der Anhöhe, und dort wurde das Töten zu einem Massaker.
Sharpe erreichte die vielen Gefallenen und sprang über sie hinweg. Gerade jenseits des blutigen Haufens versuchte ein Verwundeter seine Muskete hochzubringen, doch Sharpe schlug dem Mann seinen Gewehrkolben auf den Kopf, trat ihm die Muskete aus den Händen und rannte weiter. Er hielt auf einen Offizier zu, einen tapferen Mann, der versucht hatte, seine Truppen zu sammeln, und jetzt verhängnisvoll zögerte. Der Mann hielt einen Säbel in der Hand, dann erinnerte er sich an die Pistole an seinem Koppel, fummelte daran, um sie zu ziehen, sah jedoch, dass es zu spät war, und warf sich herum, um hinter seinen Männern herzurennen.
Sharpe war schneller. Er rammte sein Bajonett vor und schlug den indischen Offizier auf die Seite des Nackens. Der Mann fuhr herum, und sein Säbel verursachte ein zischendes Geräusch, als die Klinge an Sharpes Kopf vorbeisauste.
Sharpe parierte den Hieb mit dem Lauf seiner Muskete. Ein Holzspan wurde vom Schaft gedroschen, während Sharpe den Offizier zwischen die Beine trat. Sharpe stieß einen wilden Ruf aus, einen Schrei voller Hass, der nichts mit Maisur oder dem feindlichen Offizier zu tun hatte, sondern nur mit den Frustrationen seines Lebens.
Der Inder taumelte, krümmte sich vornüber, und Sharpe schlug ihm den schweren Kolben der Muskete ins dunkle Gesicht. Der feindliche Offizier stürzte zu Boden, und der Säbel fiel ihm aus der Hand. Er schrie etwas, vielleicht bot er seine Kapitulation an, doch Sharpe hörte nicht darauf. Er stellte den linken Fuß auf den Arm des Mannes, der nach seinem Säbel tastete, und trieb ihm das Bajonett in die Kehle. Der Kampf hatte vielleicht gerade zehn Sekunden gedauert.
Sharpe rückte nicht weiter vor. Andere Männer rannten an ihm vorbei, als sie schreiend die flüchtenden Feinde verfolgten, doch Sharpe hatte sein Opfer gefunden. Er hatte mit dem Bajonett so fest zugestoßen, dass die Klinge durch den Hals des Offiziers hindurch ins Erdreich gedrungen war, und es war schwer, den Stahl herauszuziehen. Schließlich musste er einen Stiefel auf die Stirn des sterbenden Mannes stellen, um das Bajonett frei zu bekommen. Blut schoss aus der Wunde, ließ zu einem Rinnsal nach und wurde zu einer roten Spur, als Sharpe die letzten gurgelnden Atemzüge des Offiziers hörte.
Sharpe kniete sich neben den Toten und durchsuchte die Uniform. Er riss die gelbe Seidenschärpe herunter und warf sie
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