Sharpes Feuerprobe
zusammen. Dann entfernte er den Schirm von McCandless’ Laterne und hielt ein Ende der Kartenrolle in die Kerzenflamme. Als das Papier in Flammen stand, fiel der Lichtschein auf die kunstvollen Steinmetzarbeiten des Schreins.
Die drei Männer beobachteten, wie die Karte zu Asche verbrannte.
»Überall angreifen, nur nicht von Westen«, sagte Appah Rao, und dann, nach kurzem Zögern, nahm er den Beutel mit Goldmünzen, der neben der Laterne lag. »All dies wird mein Radscha bekommen«, sagte er. »Ich werde nichts davon behalten.«
»Das hätte ich auch nie von Ihnen erwartet«, sagte McCandless. »Sie haben meinen Dank, General.«
»Ich will Ihren Dank nicht. Ich will meinen Radscha zurückhaben. Deshalb bin ich gekommen. Und wenn Sie mich enttäuschen, dann werdet ihr Engländer einen neuen Feind haben.«
»Ich bin Schotte.«
»Aber Sie werden trotzdem mein Feind sein«, sagte Appah Rao, dann wandte er sich ab, verharrte jedoch noch einmal und blickte auf der Schwelle des inneren Schreins zurück. »Sagen Sie Ihrem General, dass seine Männer freundlich zu den Bürgern der Stadt sein sollen.«
»Das werde ich General Harris sagen.«
»Dann werde ich Ausschau halten, um Sie in Seringapatam zu sehen«, sagte Appah Rao mit schwerer Stimme.
»Mich und Tausende andere«, sagte McCandless.
»Tausende!«, wiederholte Appah Rao spöttisch die Behauptung. »Sie mögen Tausende haben, Colonel, doch Tippu hat die Tiger.«
Er wandte sich ab, ging zum äußeren Zugang des Tempels und verließ ihn, gefolgt von Kunwar Singh.
McCandless verbrannte die Kopie von Bonapartes Brief, wartete noch eine halbe Stunde, und dann verließ auch er den Tempel – so lautlos, wie er ihn betreten hatte. Er würde sich seiner Eskorte anschließen, ein paar Stunden schlafen und dann mit seinem kostbaren Geheimnis zu der wartenden Armee reiten.
Nur wenige Männer des 33. Regiments fanden in dieser Nacht Schlaf, denn die Aufregung über den Kampf und den Sieg über die gefürchteten Truppen Tippus hatten sie mit nervöser Energie erfüllt.
Einige gaben ihre Beute für Arrak aus und schliefen schnell genug ein, doch die anderen blieben um ihre Feuer hocken und erlebten in ihren Gedanken die Aufregungen des Tages noch einmal. Für die meisten der Soldaten war es ihre erste Schlacht gewesen, und aus diesem Erlebnis formte sich für sie ein Bild des Krieges und ihrer eigenen Leistungskraft.
Mary Bickerstaff saß bei Sharpe und hörte sich geduldig die Erzählungen an. Sie war gewöhnt an Soldatengeschichten und klug genug, um zu wissen, welche Männer ihre Tapferkeit übertrieben schilderten und vorgaben, dass ihnen das Grauen, der schreckliche Anblick der Gefallenen und Verwundeten nichts ausgemacht hätte.
Sharpe, der mit der Neuigkeit, dass der Captain versprochen hatte, bei Major Shee die Erlaubnis einzuholen, dass sie heiraten durften, aus Captain Morris’ Zelt zurückgekehrt war, war still, und Mary spürte, dass er bei den Geschichten nicht wirklich zuhörte und nicht einmal so tat, als sei er amüsiert oder erstaunt.
»Was hast du?«, fragte sie ihn schließlich.
»Nichts, Mädchen.«
»Machst du dir Sorgen wegen Captain Morris?«
»Wenn er nein sagt, fragen wir einfach Major Shee«, sagte Sharpe mit einer Zuversicht, die er nicht ganz empfand. Morris war ein Bastard, doch Shee war ein Säufer, und in Wirklichkeit waren beide keine gute Wahl, wenn man sich zwischen ihnen entscheiden musste. Sharpe glaubte, dass Lieutenant Colonel Arthur Wellesley, der richtige Kommandeur des 33. Regiments, der verantwortliche Mann sein könnte, doch Wellesley war augenblicklich zu einem der beiden stellvertretenden Kommandeure der Armee ernannt worden und tat alle Regimentsgeschäfte mit einem Achselzucken ab.
»Wir werden unsere Erlaubnis bekommen«, versprach er Mary.
»Und was beunruhigt dich?«
»Ich habe es dir gesagt. Nichts.«
»Du warst mit den Gedanken meilenweit entfernt, Richard.«
Er zögerte. »Ich wünschte, ich wäre das.«
Mary verstärkte den Händedruck mit ihm, dann senkte sie die Stimme zum kaum wahrnehmbaren Flüsterton. »Denkst du ans Desertieren, Richard Sharpe?«
Er lehnte sich vom Feuer fort, versuchte, einen kleinen privaten Platz zu schaffen, wo sie reden konnten, ohne dass jemand mithörte.
»Es muss ein angenehmeres Leben geben als dieses, mein Liebling«, sagte er.
»Tu es nicht!«, sagte Mary heftig, legte ihm jedoch eine Hand auf die Wange. Einige der Männer auf der anderen Seite des Feuers sahen
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