Sharpes Flucht
bestechen.«
»Ach ja, die Welt ist schlecht«, sagte Harper. »Und dabei träume ich ständig davon, mal ein kleines Bestechungsgeld abzustauben.« Er schlang sich das siebenläufige Gewehr um die Schulter. »Was haben diese Kerle also hier oben gemacht?«
»Nichts Gutes«, antwortete Sharpe und klopfte sich die Hände ab, ehe er seinen geflickten Rock zurechtzupfte, der jetzt mit Mehl bedeckt war. »Der verdammte Mister Ferragus hat dieses Mehl den Franzen verkauft, Pat, und dieser verdammte portugiesische Major steckt bis über seinen Arsch mit drin.«
»Haben sie Ihnen das jetzt erzählt?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Sharpe. »Aber was sollten sie wohl sonst gemacht haben? Jesus! Sie haben eine weiße Fahne gehisst, um die Franzmänner wissen zu lassen, dass hier oben die Luft rein ist, und wenn wir nicht gekommen wären, Pat, dann hätten sie ihnen dieses Mehl verkauft.«
»Gott und die Heiligen bewahren uns vor dem Bösen«, murmelte Harper belustigt. »Wie schade, dass die Dragoner nicht zum Spielen gekommen sind.«
»Schade? Warum zum Teufel sollten wir ohne Grund kämpfen wollen?«
»Damit Sie sich eins ihrer Pferde hätten verschaffen können«, sagte Harper. »Deshalb natürlich.«
»Und weshalb sollte ich ein verdammtes Pferd wollen?«
»Weil Mister Slingsby eines bekommt, jawohl. Er hat es mir selbst erzählt. Der Colonel gibt ihm ein Pferd, jawohl.«
»Das geht mich verdammt noch mal nichts an«, erwiderte Sharpe, aber die Vorstellung von Lieutenant Slingsby hoch zu Ross ärgerte ihn nichtsdestotrotz. Ein Pferd, ob Sharpe eines wollte oder nicht, war ein Statussymbol. Verdammter Slingsby, dachte er, starrte auf die Hügel in der Ferne und sah, wie tief die Sonne schon gesunken war. »Gehen wir nach Hause«, sagte er.
»Ja, Sir«, sagte Harper. Er wusste genau, weshalb Mister Sharpe so schlechter Laune war, aber er durfte davon nichts verlauten lassen. Offiziere hatten gefälligst Waffengefährten zu sein, keine Erzfeinde.
Sie marschierten in die Dämmerung und ließen den weißen, von Rauch umwölkten Gipfel hinter sich. Vor ihnen lag die Armee und hinter ihnen der Franzose.
Der nach Portugal zurückgekommen war.
Miss Sarah Fry, die ihren Nachnamen immer gehasst hatte, klopfte mit der Hand auf den Tisch. »Auf Englisch«, beharrte sie, »auf Englisch.«
Tomas und Maria, die acht beziehungsweise sieben Jahre alt waren, blickten missmutig drein, gehorchten aber und wechselten von ihrer portugiesischen Muttersprache ins Englische. »Robert hat einen Ring«, las Tomas. »Sieh mal, der Ring ist rot.«
»Wann kommen die Franzosen?«, fragte Maria.
»Die Franzosen kommen überhaupt nicht«, erwiderte Sarah brüsk. »Weil nämlich Lord Wellington sie aufhalten wird. Welche Farbe hat der Ring, Maria?«
»Rouge« , erwiderte Maria auf Französisch. »Wenn also die Franzosen gar nicht kommen – weshalb beladen wir dann die Wagen?«
»Französisch haben wir dienstags und donnerstags«, sagte Sarah wiederum brüsk. »Und heute ist?«
»Mittwoch«, antwortete Tomas.
»Lies weiter«, sagte Sarah und blickte aus dem Fenster, wo die Bediensteten Möbelstücke auf einen Wagen luden. Die Franzosen kamen, und jeder war angewiesen worden, Coimbra zu verlassen und sich nach Süden in Richtung Lissabon zu begeben. Manche Leute behaupteten, bei der Ankunft der Franzosen handle es sich lediglich um ein Gerücht, und weigerten sich, aufzubrechen. Andere waren längst unterwegs. Sarah wusste nicht, was sie glauben sollte, sie war nur verblüfft, weil all die Aufregung ihr nicht unwillkommen war. Erst seit drei Monaten war sie als Gouvernante im Haushalt der Ferreiras, und sie vermutete, dass sie sich vom Einmarsch der Franzosen die Möglichkeit erhoffte, aus ihrer Stellung, die, wie sie inzwischen wusste, ein Fehler gewesen war, zu entkommen. Sie dachte über ihre ungewisse Zukunft nach, als sie bemerkte, dass Maria kicherte, weil Tomas gerade gelesen hatte, der Esel sei blau. Das war Unsinn, und Miss Fry war keine junge Frau, die Unsinn duldete. Sie schlug Tomas ihre Fingerknöchel auf den Kopf. »Welche Farbe hat der Esel?«, fragte sie.
»Braun«, antwortete Tomas.
»Braun«, stimmte Sarah zu und versetzte ihm einen weiteren gehörigen Schlag. »Und was bist du?«
»Ein Dummkopf«, sagte Tomas und fügte leise zischend hinzu: Cadela.
Das bedeutete »Hündin«, und Tomas hatte es ein wenig zu laut gesagt, was ihm einen kräftigen Hieb gegen die Wange eintrug. »Hässliche Sprache ist mir
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