Sharpes Flucht
Gabe großer Intelligenz, wie sie in der Universitätsstadt zutiefst bewundert wurde. Und dann erst sein Bruder! Sarahs Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, hätte Ferragus als »gewöhnlich wie Straßendreck« beschrieben. Er war das schwarze Schaf der Familie, der mutwillige, missratene Sohn, der als Kind von zu Hause weggelaufen und als reicher Mann zurückgekehrt war, nicht um sich niederzulassen, sondern um die Stadt zu terrorisieren wie ein Wolf, der im Schafstall eine Heimat gefunden hat. Sarah hatte Angst vor Ferragus. Jeder mit Ausnahme des Majors hatte Angst vor Ferragus, und das war kein Wunder. Die Gerüchteküche in Coimbra nannte Ferragus einen üblen Gesellen, einen unehrlichen Gesellen, sogar einen Verbrecher, und dieser Schmutz färbte auf Major Ferreira ab, und sogar Sarah wurde ihrerseits davon beschmutzt.
Aber sie saß bei dieser Familie in der Falle, denn genug Geld, um ihre Rückreise nach England zu bezahlen, besaß sie nicht, und selbst wenn sie auf irgendwelchen Wegen dorthin gelangt wäre, wie hätte sie sich eine neue Stellung verschaffen sollen, ohne ein glänzendes Zeugnis von ihrem früheren Arbeitgeber vorzuweisen? Es war ein Dilemma, aber Miss Sarah Fry gehörte nicht zu den jungen Frauen, die sich leicht einschüchtern ließen. Sie sah dem Dilemma ins Auge, wie sie der französischen Invasion ins Auge sah – mit dem Gefühl, dass sie überleben würde. Das Leben war nicht dazu gedacht, es zu durchleiden, es war dazu gedacht, es zu genießen.
»Reynard ist rot«, las Maria.
Die Uhr tickte weiter.
Dies war kein Krieg, wie Sharpe ihn kannte. Das South Essex Regiment, das sich in Richtung Westen ins portugiesische Binnenland zurückzog, war nun die Nachhut der Armee, obwohl sich zwei Regimenter der Kavallerie und ein Trupp berittener Gewehrschützen hinter ihnen befanden. Diese dienten als Schutzschild, das die Vorposten der gegnerischen Kavallerieeinheiten abwehren sollte. Die Franzosen übten nicht viel Druck aus, somit hatte das South Essex Regiment Zeit, zu vernichten, was immer sie an Vorräten fanden, ob es sich um eine eingefahrene Ernte handelte, um eine Obstplantage oder um Vieh, denn nichts von alledem sollte dem Feind überlassen bleiben. Im Grunde hätte sich jeder Bewohner und jeder essbare Krumen bereits im Süden befinden sollen, um hinter den Linien von Torres Vedras Zuflucht zu suchen, aber es war verblüffend, wie viele zurückgeblieben waren. In einem Dorf fanden sie eine Herde Ziegen in einer Scheune versteckt, und in einem anderen entdeckten sie einen großen Bottich mit Olivenöl. Die Ziegen fielen ihren Bajonetten zum Opfer, woraufhin die Kadaver eiligst in einer Grube vergraben wurden, und das Öl wurde auf dem Boden ausgeschüttet. Die Franzosen waren dafür bekannt, dass sie vom Land lebten und stahlen, was sie in die Finger bekamen, also musste das Land verwüstet werden.
Es gab keine Anzeichen dafür, dass Franzosen sie verfolgten. Keines der kleinen Artilleriegeschütze wurde abgefeuert, und keine in kurzen Säbelgefechten verwundeten Kavalleristen tauchten auf. Sharpe sah so gut wie ständig nach Osten und glaubte, am Himmel eine Staubwolke zu erkennen, wie Armeestiefel sie aufwirbelten, aber es konnte sich genauso gut um ein Hitzeflimmern handeln. Am Vormittag gab es eine Explosion, doch sie kam von vorn, wo britische Ingenieure in einem tiefen Tal eine Brücke gesprengt hatten. Die Männer des South Essex Regiments murrten, denn sie mussten durch den Fluss waten, statt ihn auf der Straße zu überqueren. Wäre die Brücke jedoch erhalten geblieben, hätten sie gemurrt, weil sie keine Gelegenheit hatten, beim Waten durch den Fluss Wasser zu schöpfen.
Lieutenant Colonel William Lawford, der befehlshabende Offizier des Ersten Bataillons des South Essex Regiments, verbrachte einen Großteil des Tages am Ende der Reihe, wo er sein neues Pferd ritt, einen schwarzen Wallach, auf den er in geradezu absurder Weise stolz war. »Portia habe ich Slingsby gegeben«, ließ er Sharpe wissen. Portia war sein früheres Pferd gewesen, eine Stute, auf der nun Slingsby ritt, was jemandem, der zufällig vorüberkam, den Eindruck vermitteln musste, er sei der Befehlshaber der Leichten Kompanie. Lawford musste sich des Unterschieds bewusst sein, denn er erklärte Sharpe, dass alle Offiziere beritten sein sollten. »Es gibt den Männern etwas, zu dem sie aufschauen können, Sharpe«, sagte er. »Sie können sich doch ein Pferd leisten, oder etwa nicht?«
Was Sharpe sich
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