Sharpes Flucht
leisten oder nicht leisten konnte, gehörte nicht zu den Dingen, die er mit dem Lieutenant Colonel zu teilen wünschte. »Ich ziehe es vor, wenn sie zu mir aufsehen, nicht zu dem Pferd, Sir«, gab er stattdessen zurück.
»Sie wissen sehr wohl, was ich meine.« Lawford weigerte sich, auf die Provokation einzugehen. »Wenn Sie wollen, kann ich mich für Sie umsehen und etwas Geeignetes für Sie finden, Sharpe. Major Pearson von den Schützen sprach davon, er wolle eines seiner Pferde verkaufen, und ich kann vermutlich einen fairen Preis mit ihm aushandeln.«
Sharpe sagte nichts. Er hatte für Pferde nicht viel übrig, aber nichtsdestotrotz fühlte er einen Anflug von Eifersucht, weil der verdammte Slingsby auf einem ritt. Lawford wartete auf eine Antwort, und als keine kam, gab er dem Wallach die Sporen, der sofort ein paar Schritte weit voraustrabte, sodass Sharpe die Beine in die Hand nehmen musste, um ihm zu folgen. »Also, was halten Sie nun von ihm, Sharpe, he?«, verlangte der Lieutenant Colonel zu wissen.
»Was ich von ihm halte, Sir?«
»Von Lightning! So heißt er nämlich. Lightning.« Der Lieutenant Colonel klopfte dem Pferd den Hals. »Ist er nicht großartig?«
Sharpe starrte das Pferd an, ohne ein Wort zu sagen.
»Jetzt kommen Sie schon, Sharpe«, ermunterte ihn Lawford. »Können Sie etwa seine Qualität nicht erkennen?«
»Er hat vier Beine«, erwiderte Sharpe.
»Ach, Sharpe«, entrüstete sich der Lieutenant Colonel, »ist das wirklich alles, was Sie dazu zu sagen haben?« Lawford wandte sich stattdessen Harper zu. »Und was halten Sie von ihm, Sergeant?«
»Er ist wundervoll, Sir«, antwortete Harper mit ehrlicher Begeisterung. »Einfach wundervoll. Er stammt wohl aus irischer Zucht?«
»Das tut er!« Lawford war hingerissen. »Das tut er in der Tat. Er ist im County Meat gezüchtet worden. Ich erkenne, dass Sie etwas von Pferden verstehen, Sergeant.« Der Lieutenant Colonel kraulte die Ohren des Wallachs. »Er springt über Zäune wie der Wind. Er wird ein fantastisches Jagdpferd abgeben. Ich kann es kaum noch erwarten, ihn nach Hause zu bringen und ihn an ein paar verdammt hohen Hecken auszuprobieren.« Er beugte sich hinüber zu Sharpe und senkte die Stimme. »Er hat mich ein paar Pennys gekostet, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ich bin sicher, das hat er, Sir«, entgegnete Sharpe. »Und meine Nachricht wegen der Telegrafenstation, haben Sie die weitergegeben?«
»Das habe ich«, antwortete Lawford. »Aber sie haben viel zu tun im Hauptquartier, verdammt viel zu tun, deshalb habe ich meine Zweifel, dass sie sich wegen ein paar Pfund Mehl die Köpfe zerbrechen werden. Dennoch haben Sie natürlich richtig gehandelt.«
»Ich habe nicht an das Mehl gedacht, Sir«, sagte Sharpe. »Sondern an Major Ferreira.«
»Ich bin sicher, es gibt für alles eine harmlose Erklärung«, erwiderte Lawford nonchalant, dann ritt er voraus und ließ Sharpe in missmutiger Stimmung zurück. Er mochte Lawford, den er Jahre zuvor in Indien kennengelernt hatte und der ein gewitzter, begabter Mann war. Seine einzige Schwäche war möglicherweise die Neigung, Ärger aus dem Weg zu gehen. Ärger im Kampf war damit nicht gemeint. Lawford wäre niemals einen Kampf mit den Franzosen ausgewichen, aber eine Auseinandersetzung mit seinesgleichen versuchte er zu vermeiden. Von Natur aus war er ein Diplomat, der stets versuchte, Kanten zu glätten und zu einer Einigung zu gelangen. Somit konnte es Sharpe kaum überraschen, dass der Lieutenant Colonel davor zurückschreckte, Major Ferreira der Unehrlichkeit zu bezichtigen. In Lawfords Welt war es grundsätzlich das Beste, anzunehmen, dass bellende Hunde in Wahrheit nicht bissen.
Also versuchte Sharpe, sich die Auseinandersetzung des Vortags aus dem Sinn zu schlagen, und trottete weiter. Seine Gedanken beschäftigten sich zur Hälfte mit dem, was die einzelnen Männer der Kompanie gerade taten, und zur anderen Hälfte mit Teresa und Josefina. An die beiden dachte er noch immer, als ein Reiter aus entgegengesetzter Richtung an ihm vorüberritt, in einer Staubwolke herumwirbelte und nach ihm rief. »Wieder in Schwierigkeiten, Richard?«
Sharpe schreckte aus seinem Tagtraum, blickte auf und erkannte Major Hogan, der unverschämt gut gelaunt dreinschaute. »Ich bin in Schwierigkeiten, Sir?«
»Sie hören sich grimmig an«, erwiderte Hogan. »Sie sind wohl mit dem falschen Fuß aus dem Bett gestiegen, was?«
»Mir war ein Monat Urlaub versprochen worden, Sir. Ein ganzer
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