Sharpes Flucht
bestens«, bemerkte Sharpe säuerlich.
Er konnte die Franzosen in den Dachbodenzimmern hören, aber keiner trat hinaus aufs Dach, also setzte sich Sharpe auf den Schindeln nieder und blickte die Anhöhe hinauf. Die großen Gebäude der Universität beherrschten den Horizont, und in ihrem Schatten drängten sich Tausende von Dächern und Kirchtürmen. Die Straßen waren von den einmarschierenden Soldaten überflutet, aber oben auf den Dächern ließ sich keiner von ihnen blicken, obwohl Sharpe hier und da verschreckte Menschen entdeckte, die wie er ihr Heil in der Flucht auf die Dachschindeln suchten. Er versuchte, Ferragus’ Warenhaus ausfindig zu machen. Er wusste, es konnte nicht weit weg sein, wusste, es hatte ein hohes, spitzes Dach, und endlich glaubte er, es in etwa hundert Schritt Entfernung am Berg auszumachen.
Er überblickte die Gasse. Die Häuser auf der anderen Seite hatten dieselbe Art von Brüstung, die ihr Dach umrundete, und er nahm an, er könne den Abstand recht leicht überspringen. Aber Vicente mit seiner verwundeten Schulter mochte unbeholfen sein, und Sarahs langer, zerrissener Rock würde sie behindern. »Du bleibst hier, Jorge«, sagte er zu Vicente, »und passt auf Miss Fry auf. Pat und ich gehen auf Erkundung.«
»Tun wir das?«
»Hast du was Besseres vor, Pat?«
»Wir können mitkommen«, sagte Vicente.
»Es ist besser, wenn ihr hierbleibt, Jorge«, sagte Sharpe, dann zog er sein Taschenmesser hervor und klappte die Klinge heraus. »Hast du jemals Wunden versorgt?«, fragte er Sarah.
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann wird es Zeit, dass du es lernst«, sagte Sharpe. »Nimm den Verband von Jorges Schulter ab, und such nach der Kugel. Hol sie heraus. Wenn du irgendwelche Fasern von seinem Rock oder seinem Hemd findest, muss du die auch herausholen. Wenn er dir sagt, du sollst aufhören, weil es wehtut, stich fester zu. Sei gnadenlos. Schneide die Kugel und alles, was du sonst noch findest, heraus, dann säubere die Wunde. Benutze das dazu.« Er gab ihr seine Feldflasche, in der sich noch ein wenig Wasser befand. »Dann mach ihm einen neuen Verband«, fuhr er fort, ehe er Vicentes geladenes Gewehr neben sie legte. »Und wenn ein Froschfresser hierherauf kommt, dann erschieß ihn. Pat und ich werden es hören und zurückkommen.« Sharpe bezweifelte, dass er oder Harper den Knall des Gewehrs aus all den anderen Schüssen heraushören würden, aber er nahm an, dass Sarah diese Rückversicherung gut gebrauchen konnte. »Glaubst du, das schaffst du?«
Sie zögerte kurz, dann nickte sie. »Ja, ich schaffe es.«
»Es wird fürchterlich wehtun, Jorge«, warnte ihn Sharpe. »Aber Gott weiß, ob wir heute irgendwo in der Stadt einen Arzt für dich auftreiben können, also soll lieber Miss Fry ihr Bestes tun.« Er richtete sich auf und wandte sich an Harper. »Kannst du über die Gasse hinwegspringen, Pat?«
»Gott schütze Irland.« Harper betrachtete den Abstand zwischen den Häusern. »Das ist entsetzlich weit, Sir.«
»Dann pass auf, dass du nicht fällst«, sagte Sharpe und stellte sich auf die Brüstung, und zwar dort, wo sie mit der Gasse einen rechten Winkel bildete. Er nahm ein paar Schritte Anlauf, rannte los und vollführte einen Satz ins Leere. Er schaffte es leicht, übersprang die gegenüberliegende Brüstung und krachte auf die Dachschindeln, dass der Schmerz durch seinen Brustkorb stach. Er wich aus dem Weg und sah zu, wie Harper, der größer und nicht so sehnig gebaut war, ihm folgte. Der Sergeant landete geradewegs auf der Brüstung und krümmte sich, weil sich ihm die Kante in den Bauch bohrte. Sharpe packte ihn beim Rock und zerrte ihn an sich heran.
»Ich habe ja gesagt, es ist entsetzlich weit«, sagte Harper.
»Du isst zu viel.«
»Um Gottes willen, in dieser Armee?«, fragte Harper, dann klopfte er sich ab und folgte Sharpe über das nächste Dach. Sie gingen an Dachluken und Fenstern vorüber, aber im Haus befand sich niemand, der sie hätte sehen können. An manchen Stellen war die Brüstung weggebrochen, und Sharpe kletterte zum Dachfirst hinauf, weil ihre Füße dort mehr Halt fanden. Sie umrundeten ein Dutzend Schornsteine, dann glitten sie hinunter und blickten in eine weitere Gasse. Wieder hatten sie einen Sprung vor sich. »Hier ist der Abstand kleiner«, sagte Sharpe, um Harper Mut zu machen.
»Wo gehen wir eigentlich hin, Sir?«
»Zum Lagerhaus«, erwiderte Sharpe und wies auf das spitze Dach des Lagerhauses.
Harper schätzte den Abstand ein. »Durch
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