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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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versteigerte alsdann die weinenden Mädchen, aus deren Haaren Urin triefte.
    In der Kirche von Santa Cruz, die noch älter als die Alte Kathedrale war, fanden die Soldaten die Gräber der beiden ersten Könige Portugals. Die schön in Stein gemeißelten Grabmäler wurden zertrümmert, die Särge zerschlagen, und die Knochen von Alfonso dem Eroberer, der im zwölften Jahrhundert Lissabon von den Muslimen befreit hatte, wurden aus ihrem Leichentuch gerissen und über den Boden verstreut. Sein Sohn Sancho I. war in einem weißleinenen Leichentuch mit Goldstickerei begraben worden, und ein Artillerist riss ihm das Tuch herunter und warf es sich über die Schultern, bevor er auf den Überresten der Leiche tanzte. In Sanchos Grab befand sich ein goldenes, mit Juwelen besetztes Kreuz, um das sich drei Soldaten zankten. In Santa Cruz drängten sich noch mehr Frauen, und sie hatten zu erleiden, was die anderen Frauen erlitten hatten, während ihre Männer zum Kloster des Schweigens geführt und erschossen wurden.
    Die meisten Soldaten wollten etwas zu essen. Sie brachen in Häuser ein, traten Kellertüren ein und suchten nach irgendetwas, das sich essen ließ. Es gab jede Menge davon, denn die Stadt war noch nicht ordentlich von ihren Vorräten geleert worden, aber es waren zu viele Soldaten, und der Zorn wuchs, als manche Männer zu essen hatten und andere noch immer hungerten. Der Zorn verwandelte sich in Raserei, als die üppigen Vorräte an Wein in den Tavernen ihm neue Nahrung gaben. Ein Gerücht machte die Runde, es gebe einen gewaltigen Vorrat an Lebensmitteln in einem Lagerhaus in der Unterstadt. Hunderte von Männern strömten daraufhin zusammen, nur um feststellen zu müssen, dass die Vorräte von Dragonern bewacht wurden. Einige blieben und hofften, dass sich die Dragoner verziehen würden, andere zogen weiter, um sich Frauen zu suchen und zu plündern.
    Ein paar Männer versuchten, die Zerstörung zu verhindern. Ein Offizier bemühte sich, zwei Artilleristen von einer Frau herunterzuziehen, aber er wurde zu Boden getreten und dann mit einem Degen erstochen. Ein frommer Feldwebel, der sich von dem, was er in der Alten Kathedrale erlebt hatte, abgestoßen fühlte, wurde erschossen. Die meisten Offiziere, wohl wissend, dass der Versuch, die Orgie der Zerstörung aufzuhalten, sinnlos war, verbarrikadierten sich in Häusern und warteten ab, bis sich der Wahnsinn legte. Andere dagegen machten einfach mit.
    Marschall Masséna, flankiert von Husaren und begleitet von seinen Adjutanten sowie von seiner Mätresse, die in der himmelblauen Uniform eines Husaren hinreißend aussah, fand Quartier im Palast des Erzbischofs. Zwei Oberste der Infanterie kamen zum Palast und beklagten sich über das Betragen der Truppen, aber von ihrem Marschall durften sie nicht viel Mitgefühl erwarten.
    »Sie haben ein bisschen Vergnügen verdient«, sagte er. »Es war ein harter Marsch, ein sehr harter Marsch. Und sie sind wie Pferde. Sie spuren besser, wenn man ihnen von Zeit zu Zeit mal die Zügel schießen lässt. Also lassen Sie sie spielen, meine Herren, lassen Sie sie doch spielen.«
    Er vergewisserte sich, dass Henriette es im Schlafzimmer des Erzbischofs bequem hatte. Sie mochte die Kruzifixe nicht, die an den Wänden hingen, also warf Masséna sie zum Fenster hinaus. Dann erkundigte er sich, was sie gern essen würde.
    »Trauben und Wein«, erwiderte sie, und Masséna beauftragte einen seiner Diener, die Küche zu durchsuchen und ihm beides zu beschaffen.
    »Und wenn es nichts davon gibt?«, fragte der Diener.
    »Natürlich gibt es Trauben und Wein«, herrschte Masséna ihn an. »Beim Allmächtigen, kann in dieser Armee denn nichts ohne Fragerei erledigt werden? Beschaffen Sie mir die verdammten Trauben, dann verschaffen Sie mir den verdammten Wein, und dann servieren sie beides Mademoiselle.« Er kehrte in den Speisesaal des Palasts zurück, wo Karten auf dem Tisch des Erzbischofs ausgebreitet lagen. Es waren schlechte Karten, mehr von der Fantasie als von topographischen Kenntnissen inspiriert, aber einer von Massénas Adjutanten meinte, in der Universität müsse es bessere geben. Er hatte recht, doch als er sie fand, waren sie nur noch ein Häuflein Asche.
    Die Generäle der Armee versammelten sich in dem Speiseraum, wo Masséna die nächste Etappe des Feldzugs plante. Er war in Bussaco zurückgeschlagen worden, aber diese Niederlage hatte ihn nicht davon abgehalten, den Feind aus Portugals Binnenland zu vertreiben. Massénas Armee

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