Sharpes Flucht
lassen«, sagte Sharpe.
»Darüber habe ich mir keine Sorgen gemacht«, sagte Sarah, obwohl sie das getan hatte. »Es ist einfach so, dass jetzt alles neu ist. Ich bin nicht mehr die, die ich gestern war. Und das bedeutet, dass es morgen ebenfalls anders sein wird.« Sie lächelte schmal. »Verstehst du?«
»Vermutlich wirst du noch einmal mit mir sprechen müssen«, sagte Sharpe, »wenn ich richtig wach bin. Aber im Moment muss ich mir anhören, was Jorge zu sagen hat, mein Herz, und dann brauche ich verdammt noch mal meinen Tee.« Er beugte sich vor, küsste sie und raffte seine Kleider zusammen.
Sarah hob ihr zerrissenes Kleid aus den zerwühlten Decken. Sie war im Begriff, es über den Kopf zu streifen, dann aber schauderte sie. »Es stinkt«, sagte sie angewidert.
»Zieh das an«, sagte Sharpe und warf ihr sein Hemd zu, dann zog er die Hose an, zerrte sich die Träger über die bloßen Schultern und stieg in seine Stiefel. »Wir müssen heute so gut wie möglich alles zusammenflicken und waschen«, sagte er. »Ich bezweifle, dass die verdammten Franzosen heute aufbrechen werden, und wir scheinen hier ziemlich sicher zu sein.« Er wartete, bis sie das Hemd zugeknöpft hatte, dann öffnete er die Tür. »Tut mir leid, Jorge, ich mache gerade Feuer.«
»Die Franzosen brechen nicht auf«, berichtete Vicente aus der Tür. Er war in Hemdsärmeln und hatte sich für den linken Arm eine Schlinge gemacht. »Ich konnte nicht weit gehen, aber ich habe den Hang hinunterspähen können. Sie treffen keinerlei Vorbereitungen.«
»Sie holen Atem«, sagte Sharpe. »Und dann werden sie vermutlich morgen aufbrechen.« Er drehte sich um, um Sarah anzusehen. »Sieh nach, ob Patricks Feuer noch brennt, ja? Sag ihm, ich brauche für dieses hier eine Flamme.«
Sarah schlüpfte an Vicente vorbei, der zur Seite trat, um sie vorbeizulassen, dann blickte er von Sarah zu Joana. Beide Mädchen trugen verdreckte Hemden über bloßen Beinen. Er kam in die Küche und blickte Sharpe stirnrunzelnd an. »Hier sieht es aus wie im Bordell«, sagte er tadelnd.
»Grünröcke haben von jeher Glück, Jorge. Und die beiden haben sich freiwillig gemeldet.«
»Ist das eine Rechtfertigung?«
Sharpe schob etwas mehr Anmachholz in den Ofen. »Es braucht keine Rechtfertigung, Jorge. Es ist das Leben.«
»Deshalb haben wir die Religion«, erwiderte Vicente. »Um uns über das Leben zu erheben.«
»Ich hatte immer Glück«, sagte Sharpe. »Ich bin sowohl dem Gesetz als auch der Religion entronnen.«
Vicente wirkte unglücklich über diese Antwort, dann aber entdeckte er die Bleistiftzeichnung von Sharpe, die Sarah auf ein Regal gestellt hatte, und sein Gesicht hellte sich auf. »Das ist gut. Das sieht ja aus wie du.«
»Es ist ein Bild vom Zorn des Volkes, der auf eine korrupte Welt losgelassen wird, Jorge.«
»Ist es das?«
»Das hat jedenfalls der Kerl, der es gezeichnet hat, gesagt, irgendetwas in der Art.«
»Hat es nicht Miss Fry gezeichnet?«
»Nein, ein Offizier von den Froschfressern, Jorge. Er hat es gestern Abend gezeichnet, als du geschlafen hast. Tritt beiseite, das Feuer kommt.« Er und Vicente machten Platz für Sarah, die einen brennenden Holzspan in den Ofen schob. Dann beobachtete sie ihn, um sicherzugehen, dass das Holz Feuer fing. Während Sarah auf die kleinen Flammen blies, sagte Sharpe: »Wir müssen heute Wasser kochen, unsere Kleider waschen und die Flöhe einsammeln.«
»Flöhe?« Sarah klang erschrocken.
»Warum, glaubst du, hast du dich wohl gekratzt, mein Herz? Du hast vermutlich noch Schlimmeres als Flöhe, aber wir haben den ganzen Tag Zeit, uns zu säubern. Wir warten, bis sich die Crapauds auf den Weg machen, was frühestens morgen der Fall sein wird.«
»Heute gehen sie noch nicht?«, fragte Sarah.
»Der besoffene Haufen? Nein, heute würden ihre Offiziere sie nie und nimmer in Marschordnung bekommen. Frühestens morgen, wenn sie Glück haben. Und heute Abend sehen wir uns mal die Straßen an, aber ich bezweifle, dass wir heute Nacht schon nach draußen können. Sie haben zweifellos Patrouillen eingeteilt. Am besten warten wir, bis sie weg sind, dann gehen wir über die Brücke und schlagen uns nach Süden durch.«
Sarah dachte eine Sekunde lang nach, dann runzelte sie die Stirn und kratzte sich in der Taille. »Du gehst einfach den Franzosen hinterher?«, fragte sie. »Wie kommst du denn an ihnen vorbei?«
»Der sicherste Weg«, antwortete Vicente, »wäre der zum Tajo. Wir müssen ein paar hohe Berge
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