Sharpes Flucht
denselben Weg einschlagen müssen, um zu seiner Armee zu gelangen. Und die Männer werden ihn für uns töten.« Er bekreuzigte sich, weil ihm alles auf einmal so klar erschien. »Fünf von uns werden zum Tajo gehen«, sagte er, »und sich dann nach Süden durchschlagen. Wenn wir unsere Armee erreichen, werden wir sagen, wir haben die Vorräte in dem Lagerhaus vernichtet, und wenn die Franzosen kommen, fahren wir auf die Azoren.«
»Nur fünf von uns?«, fragte Miguel. In dem Keller befanden sich acht Männer.
»Drei von uns werden hierbleiben«, schlug Ferreira vor und warf seinem Bruder einen um Zustimmung heischenden Blick zu. Ferragus nickte. »Drei Männer müssen hierbleiben«, sagte Ferreira, »um mein Haus zu bewachen und alle notwendigen Reparaturen vorzunehmen, ehe wir zurückkommen. Und wenn wir zurückkommen, werden diese drei Männer eine angemessene Belohnung erhalten.«
Der Verdacht des Majors, dass sein Haus Reparaturen nötig haben würde, war berechtigt, denn lediglich hundertundfünfzig Schritte von ihm entfernt waren Dragoner auf der Suche nach ihm. Die Franzosen glaubten, dass sie von Major Ferreira und seinem Bruder betrogen worden waren, und jetzt wollten sie Rache. Sie schlugen die Vordertür ein, fanden aber niemanden als die Köchin, die betrunken in der Küche hockte. Als sie einem Dragoner ihre Bratpfanne an den Kopf schlug, wurde sie erschossen. Die Dragoner warfen ihre Leiche in den Hof, dann zerstörten sie systematisch alles, was sich zerbrechen ließ. Möbel, Bilder, Porzellan, Geschirr, alles. Das Geländer wurde von der Treppe gerissen, die Fenster wurden eingeworfen und die Läden aus ihren Scharnieren gezerrt. Sie fanden nichts Brauchbares außer den Pferden in den Stallungen, und die nahmen sie mit, um französische Kavalleriepferde aus ihnen zu machen.
Die Dämmerung zog herauf, die Sonne flammte purpurn über dem weit entfernten Atlantik auf und versank. Die Feuer in der Stadt brannten weiter und erleuchteten den rauchigen Himmel. Der erste Zorn der Franzosen hatte sich gelegt, aber noch immer drangen Schreie durch die Dunkelheit, und in der Nacht flossen Tränen, denn die Adler hatten eine Stadt eingenommen.
Sharpe lehnte im Türrahmen, im Schatten einer kleinen hölzernen Veranda, die von Pflanzen überwuchert war. Der kleine Garten war ordentlich in Reihen bepflanzt, aber was dort wuchs, wusste Sharpe nicht, obgleich er zumindest die Stangenbohnen erkannte, die er gepflückt und für die kargen Tage, die vor ihnen lagen, in seiner Tasche verstaut hatte. Er lehnte sich wieder in den Türrahmen und lauschte auf die Schüsse aus der Unterstadt und auf Harpers Schnarchen, das aus der Küche drang. Er döste ein, war sich dessen jedoch nicht bewusst, bis eine Katze sich an seinen Knöcheln rieb und er erschrocken zu sich kam. Noch immer hallten Schüsse durch die Stadt, und noch immer ballte sich über ihren Köpfen Rauch.
Er streichelte die Katze, stampfte auf den Boden und versuchte sich wach zu halten, aber wiederum schlief er im Stehen ein, und als er erwachte, sah er einen französischen Offizier, der mit einem Zeichenblock am Eingang des Gartens saß. Der Mann zeichnete Sharpe, und als er sah, dass sein Modell aufgewacht war, hob er hastig die Hand, wie um anzuzeigen, dass Sharpe nicht erschrecken sollte. Er zeichnete weiter, schnell und selbstbewusst führte er den Bleistift über das Papier. Er sprach mit Sharpe, seine Stimme klang entspannt und freundlich, und Sharpe grunzte zur Antwort, doch den Offizier schien es nicht zu stören, dass sein Modell kein sinnvolles Wort von sich gab. Es dämmerte bereits, als der Offizier fertig war und aufstand, um Sharpe die Zeichnung zu bringen und ihn nach seiner Meinung zu fragen. Der Franzose lächelte, er war mit seiner Arbeit zufrieden, und Sharpe betrachtete das Bild eines finster wirkenden Mannes, vernarbt und Furcht erregend, der in Hemdsärmeln in einem Türrahmen lehnte, neben sich ein Gewehr und an der Hüfte einen Degen. Hatte der Idiot nicht gesehen, dass es sich um britische Waffen handelte? Der Offizier, der jung, hellhaarig und gut aussehend war, drängte Sharpe zu einer Äußerung, und Sharpe zuckte mit den Schultern, wobei er sich fragte, ob er seinen Degen ziehen und den Mann in Stücke schneiden sollte.
Dann erschien Sarah und sagte etwas in fließendem Französisch zu dem Offizier, der seine Mütze zog, sich verbeugte und Sarah das Bild zeigte. Sie musste Begeisterung darüber an den Tag gelegt haben, denn
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