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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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errichten wollen.«
    »Eine Brücke?«, fragte Harper.
    »Um auf dieses Ufer hinüberzukommen«, antwortete Vicente. »Auf diesem Ufer gibt es jede Menge Essbares. Und wenn sie eine Brücke bauen, dann bestimmt in Santarém.«
    »Wo ist denn das?«
    »Im Süden«, sagte Vicente und wies mit dem Kopf den Fluss hinab. »Eine alte Festung über dem Fluss.«
    »An der wir vorbeimüssen?«, fragte Sharpe.
    »Ich schlage vor, das tun wir heute Nacht«, sagte Vicente. »Wir sollten uns hier eine Weile ausruhen, auf die Dunkelheit warten und dann stromabwärts rudern.«
    Sharpe fragte sich, ob die Ferreira-Brüder dasselbe tun würden. Er starrte beständig nach Norden und rechnete im Grunde damit, sie zu sehen. Dass er es nicht tat, bereitete ihm Sorge. Hatten sie vielleicht ihre Pläne geändert? Waren sie womöglich in Richtung der nördlichen Berge gegangen, oder hatten sie den Tajo viel weiter oben überquert und ihr Geld benutzt, um sich Pferde zu kaufen, die sie am Südufer nach Lissabon tragen würden? Er sagte sich, dass es letztendlich keine Rolle spielte, das einzig Wichtige war, zur Armee zurückzukehren, aber er wollte auch die Brüder finden. Wenigstens Ferreira sollte für seinen Verrat bezahlen, und mit Ferragus hatte Sharpe noch eine Rechnung zu begleichen.
    Sie blieben bis zur Dämmerung, machten am Ufer ein Feuer und brühten sich in einer Dose starken, nach Schießpulver schmeckenden Tee mit den letzten Blättern aus Sharpes und Harpers Proviantsäcken. Die Dragoner waren inzwischen bestimmt längst zu ihrem Stützpunkt zurückgeritten, weil sie die Partisanen fürchteten, die in der Dunkelheit besonders gefährlich waren. Als es dunkel wurde, schoben Sharpe und Harper das Boot aus dem Schutz heraus und ließen es wieder stromabwärts treiben. Der Regen hörte nicht auf. Sacht rieselte er auf sie nieder, durchnässte sie und trieb ihnen die Kälte in die Glieder, während das letzte Licht verglomm. Jetzt waren sie auf Gedeih und Verderb dem Strom ausgeliefert, unfähig, etwas zu sehen oder zu steuern, und so ließen sie das Boot fahren, wohin es wollte.
    Zuweilen sahen sie in der Ferne den vernebelten Schein eines Feuers, hoch oben in den westlichen Bergen, und einmal entdeckten sie viel näher ein größeres Feuer, doch wer es angezündet hatte, blieb ein Geheimnis. Ein- oder zweimal stießen sie auf solide Stücke Treibholz, und dann streiften sie einen umgestürzten Baum, und noch eine gute Stunde später, als es Sharpe bereits so vorkam, als trieben sie seit einer Ewigkeit umher, sahen sie eine Reihe vom Regen getrübter Lichter hoch über dem westlichen Ufer.
    »Santarém«, sagte Vicente leise.
    Wachtposten befanden sich auf der hohen Mauer, das Licht der Feuer hinter der Brüstung fiel auf sie, und Sharpe vermutete, dass es Franzosen waren. Er konnte hören, wie Männer in der Stadt sangen, stellte sich die Soldaten in den Tavernen vor und fragte sich, ob die Gewalt und der Schrecken, die durch Coimbra gewütet hatten, auch die Bevölkerung von Santarém heimsuchte. Er hockte sich tief ins Boot, auch wenn er wusste, dass ein Wachtposten auf jener hohen Mauer gegen die Schwärze des Flusses nichts erkennen konnte.
    Die Fahrt an den alten Schutzwällen vorbei schien eine Ewigkeit zu dauern, doch dann verblichen endlich die Lichter, und nur die feuchte Dunkelheit blieb übrig. Sarah schöpfte mit einer Blechtasse Wasser aus dem Boot. Harper schnarchte, während Joana neben ihm schauderte. Der Fluss war jetzt breiter und floss schneller, und Sharpe erwachte im ersten Zwielicht vor dem Morgengrauen, sah von Nebel umhüllte Bäume am Nordufer und auch sonst überall Nebelschwaden. Es hatte aufgehört zu regnen. Er setzte die Riemen ein und pullte eine kurze Strecke, mehr um sich zu wärmen als aus jedem anderen Grund. Sarah schenkte ihm vom Heck her ein Lächeln. »Ich habe von einer Tasse Tee geträumt«, sagte sie.
    »Ist keiner mehr da«, sagte Sharpe.
    »Deshalb habe ich ja davon geträumt«, erwiderte sie.
    Harper war aufgewacht und begann zu rudern, aber Sharpe schien es, als kämen sie überhaupt nicht voran. Der Nebel hatte sich verdichtet, und das Boot schien in einer perlenden Weiße gefangen, in der das Wasser verschwand. Er zog stärker an den Riemen, und endlich konnte er vage die Umrisse eines verkrümmten Baums am Südufer erkennen. Er behielt den Baum im Auge und pullte, so fest er konnte, begann jedoch allmählich zu glauben, dass der Baum immer am selben Ort blieb, sosehr er sich auch

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