Sharpes Flucht
beschützen. Wissen Sie, wo sich dieser Besitz befindet, Oberst?«
»Major Ferreira wird es mir sagen«, antwortete Barreto.
»Gut. Es wird Zeit, dass meine Männer eine anständige Mahlzeit bekommen.« Masséna ging zu seinem kalten Huhn, zu Brot, Käse und Wein zurück, während Barreto und Ferreira zunächst über den Preis, der gezahlt werden sollte, verhandelten und dann Maßnahmen vereinbarten, um den Schutz des Besitzes der Ferreiras zu gewährleisten. Und als all das erledigt war, ritt Ferreira den Weg zurück, den er gekommen war. Er ritt in der Nachmittagssonne, die ein herbstlicher Wind kühlte, niemand sah ihn, und kein Mensch in der britischen oder der portugiesischen Armee fand es merkwürdig, dass er seit dem Ende der Schlacht unterwegs gewesen war.
Und auf der Anhöhe und unten im Tal warteten die Soldaten.
Zweiter Teil
C OIMBRA
KAPITEL 6
Die britischen und portugiesischen Armeen blieben noch den ganzen folgenden Tag über auf der Anhöhe, während die Franzosen im Tal verharrten. Zuweilen schreckte das Krachen einer Muskete oder eines Gewehrs die Vögel im Heidekraut auf, wenn Plänkler sich auf dem langen Abhang einen Kampf lieferten, doch die meiste Zeit über verlief der Tag ruhig. Die Kanonen wurden nicht abgefeuert.
Französische Soldaten, unbewaffnet und in Hemdsärmeln, kletterten den Hang hinauf, um ihre Verwundeten abzuholen, die dort die Nacht über ihren Qualen überlassen worden waren. Einige der Verletzten waren hinunter zum Fluss gekrochen, während andere in der Finsternis den Tod gefunden hatten. Ein toter Voltigeur lag kurz unterhalb des felsigen Vorsprungs und hielt die verschränkten Hände zum Himmel erhoben, während ein Rabe an seinen Lippen und Augen pickte.
Die britischen und portugiesischen Wachtposten ließen den Feind ungestört arbeiten, sie forderten lediglich die paar Voltigeure heraus, die dem Hügelkamm zu nahe kamen. Als die Verwundeten fort waren, wurden die Toten zu ihren Gräbern getragen, die hinter den Schutzwällen, die die Franzosen hinter dem Fluss ausgehoben hatten, gegraben worden waren. Die Verteidigungsbastionen waren jedoch vergebliche Liebesmüh, denn Lord Wellington hatte nicht die Absicht, die Höhe aufzugeben, um sich zur Schlacht ins Tal zu begeben.
Lieutenant Jack Bullen, ein Neunzehnjähriger, der in der Neunten Kompanie gedient hatte, wurde zur Leichten Kompanie geschickt, um Iliffe zu ersetzen. Slingsby, so bestimmte es Lawford, musste fortan als Captain Slingsby angesprochen werden. »Er ist bereits im 55. Regiment vorübergehend in diesen Rang erhoben worden«, erklärte Lawford Forrest. »Und damit wird er sich von Bullen abheben.«
»Das wird er in der Tat, Sir.«
Der Tonfall des Majors ließ Lawford zusammenfahren. »Es handelt sich lediglich um einen Akt der Höflichkeit, Forrest. Sie halten doch sicher auch viel von Höflichkeit?«
»Und ob ich das tue, Sir. Obwohl ich von Sharpe noch mehr halte.«
»Was um alles in der Welt wollen Sie damit sagen?«
»Ich will damit sagen, Sir, dass es mir lieber wäre, wenn Sharpe die Schützen kommandieren würde. Er ist der beste Mann für diese Aufgabe.«
»Und das wird er ja auch, Forrest, das wird er ja auch, sobald er gelernt hat, sich auf zivilisierte Weise zu benehmen. Wir kämpfen für die Zivilisation, oder etwa nicht?«
»Ich hoffe, das tun wir«, stimmte Forrest ihm zu.
»Und wir erreichen dieses Ziel gewiss nicht, indem wir uns grobe Unhöflichkeiten herausnehmen. Und so benimmt sich Sharpe nun mal, Forrest. Er ist grob und unhöflich. Ich möchte das mit Stumpf und Stiel ausrotten.«
Da könnten Sie genauso gut die Sonne auslöschen wollen, dachte Major Forrest. Der Major war ein höflicher Mann, gerecht und vernünftig, aber er zweifelte daran, dass die kämpferische Wirkung des South Essex Regiments durch eine Kampagne zur Verbesserung der Manieren gesteigert werden konnte.
Innerhalb des Bataillons herrschte eine bedrückte Stimmung. Lawford schrieb es den Toten und Verwundeten der Schlacht zu, die entweder am Hang begraben worden oder auf Gedeih und Verderb den wenig sorgsamen Ärzten anvertraut worden waren. Dies war ein Tag, dachte Lawford, an dem das Bataillon Beschäftigung brauchte, aber es gab nichts zu tun, als auf dem langen Hügelkamm abzuwarten, ob die Franzosen womöglich noch einmal angreifen würden. Er befahl, alle Musketen mit kochendem Wasser zu reinigen, die Feuersteine zu inspizieren und die, die zu stark beschädigt waren, zu ersetzen. Auch sollte
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