Sharpes Flucht
aber es würde nicht lange dauern, bis die Franzosen die Straße fanden, die am nördlichen Ende der Anhöhe verlief. Oder würden die siegreichen Briten und Franzosen vielleicht die lange Anhöhe von Bussaco hinunterstürmen und die Franzosen im Tal angreifen? Es gab jedoch kein Anzeichen für einen solchen Angriff. Kein galoppierender Bote war unterwegs, um den Generälen neue Anweisungen zu bringen, und je länger Wellington wartete, desto mehr Zeit hatten die Franzosen, um am Fluss entlang Erdwälle aufzuschütten. Nein, dachte der Major, diese Schlacht war vorüber und Lord Wellington hatte vermutlich vor, den Rückweg über Lissabon anzutreten und in den Hügeln nördlich der Stadt eine weitere Schlacht zu schlagen.
»Ein Wort«, hatte Miguel den Major erneut aufgefordert.
Ferreira hatte genickt. »Sim« , sagte er, auch wenn seine Stimme dabei schwer war. Es bedeutete »ja«, und als das fatale Wort erst einmal ausgesprochen war, wendete er sein Pferd und spornte es in Richtung Norden an, an der siegreichen Leichten Kompanie vorüber, hinter die Windmühle, die von Musketenkugeln durchsiebt war, und dann zwischen den niedrigen Bäumen, die am nördlichen Ende der Anhöhe wuchsen, hindurch. Niemand schenkte seinem Aufbruch Beachtung. Er war dafür bekannt, dass er hin und wieder auf Erkundungsritt ging, einer der portugiesischen Offiziere, die wie ihre britischen Gegenstücke losritten, um die Position des Gegners auszukundschaften, und zudem befand sich portugiesische Bürgerwehr in den Caramula-Bergen nördlich der Anhöhe, und es war nicht weiter verwunderlich, dass ein Offizier zu Pferd aufbrach, um ihre Stellungen zu kontrollieren.
Aber obwohl Ferreiras Aufbruch vom Armeelager ziemlich harmlos gewirkt hatte, ritt er mit Beklommenheit. Seine gesamte Zukunft, die Zukunft seiner Familie hing von den nächsten Stunden ab. Der Major hatte Vermögen geerbt, aber er hatte es nie vermehrt. Seine Investitionen waren gescheitert, und es war lediglich der Rückkehr seines Bruders zu verdanken, dass das Glück wieder auf seiner Seite stand. Dieses Glück aber war bedroht, wenn die Franzosen Portugal einnahmen. Der Major wusste, was er zu tun hatte: Er musste aufs andere Pferd setzen, aus dem patriotischen Sattel in den französischen springen, doch er musste es so tun, das niemand es jemals bemerkte, und er würde es nur tun, um seinen Namen, sein Vermögen und die Zukunft seiner Familie zu bewahren.
Er ritt drei Stunden lang, und es war Mittag vorbei, als er sich nach Osten wandte und den Anstieg auf einen aufragenden Hügel begann. Er wusste, dass die portugiesische Bürgerwehr, die am nördlichen Ende der Anhöhe die Straße bewachte, ein gutes Stück hinter ihm lag, und soweit es ihm bekannt war, gab es in diesen Hügeln weder britische noch portugiesische Kavalleriepatrouillen. Dennoch bekreuzigte er sich und bat in einem stillen Gebet darum, dass kein Mann von seiner eigenen Seite ihn zu sehen bekam. Und er betrachtete die britische und portugiesische Armee als seine Seite. Er war ein Patriot, doch zu was war ein bettelarmer Patriot schon nütze?
Auf dem Gipfel des Hügels hielt er an. Er blieb eine ganze Weile dort, bis er sicher war, dass ein französischer Kavalleriewachtposten ihn gesehen haben musste, und dann ritt er langsam den nach Osten gewandten Hang des Hügels hinunter. Auf der Mitte des Weges hielt er an. Nun konnte jeder, der sich ihm näherte, sehen, dass er nicht vorhatte, ihn in einen Hinterhalt zu locken. Hinter ihm gab es kein totes Land, nichts, wo sich eine Kavallerieeinheit hätte verstecken können. Nur Major Ferreira war da, allein auf einem langen, leeren Abhang.
Und zehn Minuten, nachdem er angehalten hatte, erschien in einer halben Meile Entfernung eine Gruppe Dragoner in grünen Röcken. Die Reiter verteilten sich auf eine Linie. Einige hatten ihre Karabiner aus den Holstern genommen, doch die meisten hatten ihre Säbel gezogen, und Ferreira stieg ab, um ihnen zu zeigen, dass er nicht versuchen würde, zu entfliehen. Der Offizier, der die Dragoner befehligte, blickte nach oben, suchte alles nach möglichen Gefahren ab und musste letztendlich zu dem Schluss gekommen sein, dass alles in Ordnung war, denn er ritt mit einem halben Dutzend seiner Männer weiter. Auf dem trockenen Boden des Abhangs wirbelten die Hufe der Pferde Staub auf. Als die Dragoner näher kamen, breitete Ferreira die Arme aus, um zu zeigen, dass er keine Waffen bei sich trug. Dann stand er mehr oder weniger
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