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Sharpes Flucht

Sharpes Flucht

Titel: Sharpes Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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die Patronentasche eines jeden Mannes aufgefüllt werden, doch all diese nützlichen Tätigkeiten nahmen nicht mehr als eine Stunde in Anspruch, und als sie damit fertig waren, war die Stimmung der Männer nicht besser als zu Beginn.
    Der Colonel ließ sich sehen und versuchte, die Männer zu ermutigen, aber er war sich der tadelnden Blicke und der gemurmelten Kommentare bewusst. Lawford war kein Narr, er wusste genau, was die Ursache dafür war. Noch immer hoffte er, Sharpe werde sich zu der geforderten Entschuldigung durchringen, aber der Schütze blieb dem Geschehen dickköpfig fern. Letzten Endes suchte Lawford den loyalen Amerikaner Leroy auf. »Sprechen Sie mit ihm«, bat er ihn.
    »Er wird nicht auf mich hören, Colonel.«
    »Er respektiert Sie, Leroy.«
    »Es ist nett von Ihnen, das anzunehmen«, entgegnete Leroy, »aber er ist so stur wie ein Maulesel.«
    »Er wird ein bisschen zu großspurig, zieht sich Stiefel an, die ihm nicht passen, das ist das Problem«, sagte Lawford gereizt.
    »Stiefel, die er einem französischen Oberst der Chasseure geraubt hat, wenn ich mich recht erinnere«, sagte Leroy und beobachtete einen Bussard, der träge über der Anhöhe seine Kreise zog.
    »Die Männer sind unzufrieden«, sagte Lawford und beschloss, sich nicht auf eine Diskussion über Sharpes Stiefel einzulassen.
    »Sharpe ist ein merkwürdiger Mann, Colonel«, sagte Leroy, dann machte er eine Pause, um sich eine seiner groben, dunkelbraunen Zigarren anzustecken, die von portugiesischen Hausierern verkauft wurden. »Die meisten Männer mögen keine Offiziere, die aus ihren Reihen aufgestiegen sind, aber für Sharpe haben sie irgendwie eine Schwäche. Er macht ihnen Angst. Und sie wollen so sein wie er.«
    »Ich kann nicht einsehen, dass es für einen Offizier eine Tugend sein soll, Männern Angst zu machen«, erwiderte Lawford verärgert.
    »Vielleicht sogar die beste Tugend«, sagte Leroy provozierend. »Natürlich ist er in der Offiziersmesse kein einfacher Mann«, fuhr der Amerikaner sanfter fort. »Aber er ist ein verteufelt guter Soldat. Slingsby hat er gestern das Leben gerettet.«
    »Das ist doch Unsinn.« Lawford klang zunehmend gereizter. »Captain Slingsby hat die Kompanie vielleicht ein bisschen zu weit hinausgeführt, aber ich bin sicher, er hätte sie wieder zurückgebracht.«
    »Davon habe ich nicht gesprochen«, erwiderte Leroy. »Sharpe hat einen Mann erschossen, der im Begriff stand, Slingsby ein portugiesisches Grab zu bescheren. Es war verdammt noch mal der beste Schuss, den ich je gesehen habe.«
    Lawford hatte Sharpe zu dieser Gelegenheit selbst beglückwünscht, aber er war nicht in der Stimmung, mildernde Umstände zuzulassen. »Es flogen eine ganze Menge Kugeln, Leroy«, sagte er leichthin. »Der Schuss hätte auch anderswo herkommen können.«
    »Vielleicht«, sagte der Amerikaner, klang aber zweifelnd. »Sie müssen trotzdem zugeben, dass Sharpe sich gestern als verdammt nützlich erwiesen hat.«
    Lawford fragte sich, ob Leroy Sharpes leisen Ratschlag, das Bataillon eine Drehung vollziehen und dann in die französische Flanke hineinschwenken zu lassen, mit angehört hatte. Es war ein guter Ratschlag gewesen, und indem er ihn annahm, hatte er sie aus einer höchst unangenehmen Situation gerettet, aber der Colonel hatte sich selbst davon überzeugt, dass er auch ohne Sharpe auf die Idee gekommen wäre, das Bataillon wenden und schwenken zu lassen. Er hatte sich außerdem davon überzeugt, dass der Schütze seine Autorität absichtlich untergrub, und das war eindeutig zu viel, um es zu dulden. »Alles, was ich verlange, ist eine Entschuldigung«, protestierte er.
    »Ich werde mit ihm sprechen, Colonel«, versprach Leroy. »Aber wenn Mister Sharpe sagt, er entschuldigt sich nicht, dann können Sie bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Es sei denn, Sie bekommen Lord Wellington dazu, es ihm zu befehlen. Das ist der einzige Mann, der Sharpe Angst einjagt.«
    »Ich werde nicht noch Wellington in diese Sache hineinziehen«, sagte Lawford beunruhigt. Er war früher Adjutant bei dem General gewesen und wusste, wie sehr Seine Lordschaft es hasste, mit Belanglosigkeiten belästigt zu werden, und außerdem würde eine solche Bitte lediglich Lawfords Versagen aufdecken. Und ein Versagen war es. Er wusste, dass Sharpe ein wesentlich besserer Offizier war als Slingsby, aber der Colonel hatte Jessica, seiner Frau, versprochen, dass er alles, was in seiner Macht stand, tun würde, um Cornelius’ Karriere

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