Sharpes Gefecht
hätten«, sagte Kiely von seinen Männern, »dann würden sie auch kämpfen.«
»Dessen bin ich mir sicher«, erwiderte Sharpe, »und sie würden verlieren. Was erwarten Sie denn von ihnen? Dass sie Selbstmord begehen?«
»Wenn nötig«, antwortete Kiely ernst. Die ganze Zeit über hatte er nach Osten geblickt, zum Feind, doch jetzt schaute er Sharpe in die Augen. »Wenn nötig«, wiederholte er, »ja.«
Sharpe blickte in dieses von Zügellosigkeit verwitterte junge Gesicht. »Sie sind verrückt, Mylord.«
Kiely fasste das nicht als Beleidigung auf. »Würden Sie Rolands Verteidigung von Roncevalles auch den Selbstmord eines Verrückten nennen? Haben Leonidas und seine Spartaner ihr Leben in einem Anflug von Wahnsinn einfach nur sinnlos weggeworfen? Und was ist mit Sir Richard Grenville? War der auch verrückt? Manchmal, Sharpe, kann man sich ewigen Ruhm nur durch eine große Geste verdienen.« Er deutete zu den Hügeln. »Da draußen sind dreihunderttausend Franzosen, und wie viele Briten sind hier? Dreißigtausend? Der Krieg ist verloren, Sharpe. Verloren! Ein großes christliches Königreich versinkt im Mittelmaß, und das nur wegen so eines korsischen Emporkömmlings. All die Herrlichkeit, der Heldenmut und die Pracht der royalen Welt wird von Geschmacklosigkeit verdrängt. Alles wird gewöhnlich. All diese üblen, bösen Dinge – Republikanismus, Demokratie, Gleichheit –, sie kriechen ans Licht und behaupten, ein glorreiches Geschlecht von Königen ersetzen zu können. Was wir hier sehen, Sharpe, ist das Ende der Geschichte und der Beginn des Chaos, aber vielleicht – nur vielleicht – wird es der Garde von König Ferdinand ja gelingen, die alte Herrlichkeit ein letztes Mal heraufzubeschwören, bevor sie untergeht.« Ein paar Sekunden lang hatte der trunkene Kiely sein jüngeres, adeliges Ich verraten. »Deshalb sind wir hier, Sharpe. Wir wollen eine Geschichte schreiben, die man sich noch erzählt, wenn Bonaparte schon lange vergessen ist.«
»Himmel«, sagte Sharpe, »kein Wunder, dass Ihre Männer weglaufen. Mein Gott! Wenn ich einen Mann in die Schlacht führe, Mylord, dann tue ich alles, damit er wieder mit heiler Haut nach Hause kommt. Wenn ich die Kerle töten will, dann kann ich sie genauso gut im Schlaf erwürgen. Das wäre gnädiger.«
Er drehte sich um und schaute zur Real Compañía Irlandesa. Abwechselnd übten die Männer mit den gut vierzig funktionierenden Musketen, doch mit Ausnahme von ein paar waren bei ihnen Hopfen und Malz verloren. Ein guter Soldat konnte alle zwanzig Sekunden mit einer Muskete schießen, doch diese Kerle konnte schon von Glück sagen, wenn sie es einmal alle vierzig Sekunden schafften. Die Gardisten hatten viel zu viel Zeit damit verbracht, Puderperücken spazieren zu tragen und vor vergoldeten Türen zu stehen, anstatt so simple Dinge zu lernen wie Laden, Stopfen, Schießen und wieder Laden.
»Aber ich werde ihnen schon etwas beibringen«, sagte Sharpe, als das Echo einer weiteren bemühten Salve durch das Fort hallte, »und ich werde auch dafür sorgen, dass niemand mehr desertiert.«
Er wusste, dass er damit Hogans Plan unterminierte, doch Sharpe mochte die Männer der Real Compañía Irlandesa. Sie waren Soldaten wie alle anderen auch, vielleicht nicht ganz so gut ausgebildet, und sie wussten auch nicht so recht, wo sie hingehörten, aber sie waren bereit zu lernen. Sie führten nichts Übles im Schilde, und es widerstrebte Sharpe zutiefst, gute Männer zu verraten. Er wollte sie ausbilden. Er wollte aus der Kompanie eine Einheit machen, auf die jede Armee stolz wäre.
»Und wie wollen Sie sie davon abhalten zu desertieren?«, wollte Kiely wissen.
»Dafür habe ich meine eigene Methode«, antwortete Sharpe, »und Sie wollen gar nicht wissen, was das ist, Mylord, denn Roland hätte diese Methode auch nicht gefallen.«
Lord Kiely reagierte nicht auf Sharpes Spott. Stattdessen starrte er wieder in Richtung Osten. Offenbar hatte dort etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Er holte ein kleines Fernrohr aus seiner Jackentasche, zog es aus und richtete es auf einen Punkt jenseits des öden Tals. Sharpe, der direkt in die Morgensonne blickte, konnte dort gerade so die Gestalt eines einsamen Reiters ausmachen, der vorsichtig den gewundenen Pfad herabritt.
»Zu den Pferden!« Von plötzlicher Leidenschaft erfüllt rannte seine Lordschaft eine der Munitionsrampen hinunter und schrie dem Stallburschen zu, er solle ihm seinen großen schwarzen Hengst bringen.
Sharpe
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