Sharpes Gefecht
nahm an, dass der Mann durch seine vielen Niederlagen viel von seiner Macht eingebüßt hatte, aber immerhin lebte er noch, während die meisten seiner Männer tot waren, getötet vom bösen Wolf, nachdem er ihnen genau das Gleiche angetan hatte wie El Castrador den französischen Gefangenen. Es gab Zeiten, da war Sharpe froh, nicht Teil der Guerilla zu sein.
El Castrador hob seinen Weinschlauch wieder, spritzte sich Wein in den Mund, schluckte, rülpste und hauchte Sharpe dann seinen stinkenden Atem entgegen. »Nun denn – warum wollten Sie mich sehen, Engländer?«
Sharpe erklärte es ihm. Das dauerte eine Weile, denn El Castrador war zwar brutal, aber nicht sonderlich helle, und Sharpe musste ihm alles mehrmals erklären, bis der Riese verstand. Zu guter Letzt nickte El Castrador. »Heute Nacht, sagen Sie?«
»Ja, ich wäre Ihnen äußerst dankbar, wenn das möglich wäre.«
»Wie dankbar?« El Castrador schaute den Engländer verschlagen an. »Wollen Sie wissen, was ich brauche? Musketen! Oder Gewehre wie das da!« Er berührte den Lauf von Sharpes Baker Rifle, die an dem Weinstock lehnte.
»Musketen kann ich Ihnen bringen«, sagte Sharpe, obwohl er nicht wusste wie. Die Real Compañía Irlandesa brauchte Musketen dringender als dieser Schlächter hier, und Sharpe wusste noch nicht einmal, wie er die beschaffen sollte. Hogan würde der Real Compañía Irlandesa niemals neue Musketen geben, doch wenn Sharpe die Palastwache von König Ferdinand in eine Kampfeinheit verwandeln wollte, dann musste er sie irgendwie bewaffnen. »Gewehre kann ich nicht besorgen«, erklärte er, »Musketen aber schon. Allerdings brauche ich eine Woche dafür.«
»Dann also Musketen«, willigte El Castrador ein, »und da ist noch etwas.«
»Und was?«, hakte Sharpe misstrauisch nach.
»Ich will Rache für meine Töchter«, sagte El Castrador mit Tränen in den Augen. »Ich will, dass Brigadier Loup mit diesem Messer hier Bekanntschaft macht.« Er zog das kleine, bösartige Ding aus dem Gürtel. »Ich will Ihre Hilfe, Engländer. Teresa sagt, Sie könnten kämpfen. Also kämpfen Sie mit mir und helfen Sie mir, El Lobo zu fangen.«
Sharpe nahm an, dass diese zweite Bitte noch schwieriger zu erfüllen war als die erste, dennoch nickte er. »Wissen Sie, wo man Loup finden kann?«
El Castrador nickte. »Für gewöhnlich hält er sich in einem Dorf mit Namen El Cristóbal auf. Er hat die Bewohner vertrieben, die Straßen verbarrikadiert und die Häuser befestigt. Noch nicht einmal ein Wiesel kommt unbemerkt da hinein. Sanchez sagt, man bräuchte tausend Mann und eine Artilleriebatterie, um San Cristóbal zu nehmen.«
Sharpe grunzte. Sanchez war einer der besten Guerillaführer, und wenn Sanchez San Cristóbal für nahezu uneinnehmbar hielt, dann glaubte Sharpe ihm. »Sie haben gesagt: für gewöhnlich. Dann ist er also nicht immer in San Cristóbal?«
»Er geht, wohin er will, Señor «, erwiderte El Castrador mürrisch. »Manchmal übernimmt er ein Dorf für ein paar Nächte, manchmal stationiert er seine Männer in dem Fort, in dem Sie jetzt leben, und manchmal nutzt er auch Fort Concepción. Loup, Señor , macht sich seine Gesetze selbst.« El Castrador hielt kurz inne. »Aber La Aguja sagt, Sie würden sich Ihre Gesetze auch selbst machen. Wenn irgendjemand El Lobo besiegen kann, Señor , dann Sie. Und es gibt da einen Ort in der Nähe von San Cristóbal, einen Hohlweg, wo man ihn in den Hinterhalt locken kann.«
El Castrador wollte Sharpe mit diesem letzten Detail ködern, doch Sharpe schluckte den Köder nicht. »Ich werde tun, was ich kann«, versprach er.
»Dann werde ich Ihnen heute Nacht helfen«, erklärte El Castrador. »Erwarten Sie am Morgen mein Geschenk, Señor «, sagte er. Dann stand er auf und rief seinen Männern einen Befehl zu, die offenbar vor dem Gasthaus auf ihn gewartet hatten. »Und nächste Woche«, fügte der Guerillero hinzu, »werde ich mir meine Belohnung holen. Lassen Sie mich nicht mit leeren Händen dastehen, Captain Sharpe.«
Sharpe schaute dem widerlichen Kerl hinterher und griff nach seinem Weinschlauch. Er war versucht, ihn zu leeren, doch er wusste, dass ein Bauch voll sauren Weins den Rückweg nach San Isidro doppelt so hart machen würde. Also goss er die rote Flüssigkeit stattdessen auf die Wurzeln der Pflanze. Vielleicht, dachte er, half das dem Weinstock ja dabei, wieder gesund zu werden. Wein zu Trauben, Asche zu Asche und Staub zu Staub. Er nahm seinen Tschako, warf sich das Gewehr
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