Sharpes Gold (German Edition)
spürte er einen einzelnen Regentropfen auf seiner Wange. Er wartete, aber es kamen keine mehr nach. Immerhin wusste er nun, dass sich bald, binnen einer Stunde, die Wolken öffnen und die Bäche und Flüsse unvorstellbar rasch anschwellen würden.
Harper kam zurück, sauber geschrubbt und mit durchnässter Kleidung. Er wies mit dem Kopf auf die Partisanen. »Was machen wir mit denen, Sir?«
»Wir schließen sie ein, ehe wir abziehen.« Dadurch würde man ein wenig Zeit gewinnen, nicht viel, aber jede Minute zählte. Er wandte sich an Knowles. »Sind wir so weit?«
»Beinahe, Sir.«
Knowles schlitzte die Beutel auf, während zwei Männer, Sergeant McGovern und Schütze Tongue, die Münzen in Tornister umfüllten. Sharpe war dankbar, dass so viele seiner Männer bei Talavera französische Tornister aus Rindsleder erbeutet hatten. Die britischen aus Leinwand und Holz wären unter dem Gewicht aufgeplatzt. Die Männer hassten die von der Firma Trotter’s hergestellten britischen Tornister mit ihren furchtbaren Brustriemen, die nach einem langen Marsch dafür sorgten, dass sich die Lunge wie mit Säure gefüllt anfühlte. »Trotter’s Schmerzen« wurden sie genannt, und bis auf einige wenige trugen alle Männer erbeutete französische Ausrüstung auf dem Rücken.
Schütze Tongue blickte zu Sharpe auf. »Müssten es nicht vierundsechzig Beutel sein, Sir?«
»Vierundsechzig?«
Tongue strich eine Haarsträhne zurück, die ihm beständig in die Augen fiel. »Sollen doch sechzehntausend Münzen sein, Sir. Wir haben dreiundsechzig Beutel, und hier sind zweihundertfünfzig drin.« Er deutete auf den offenen Beutel. »Das macht 15 750. Zweihundertfünfzig fehlen.«
»Das ist nicht alles, was fehlt.« Harpers Stimme war leise, und Sharpe brauchte einen Moment, bis er verstand. Hardy. In seiner Aufregung über die unerwartete Entdeckung des Goldes hatte er Captain Hardy vergessen. Er sah El Católico an. »Nun?«
Der Spanier zuckte mit den Schultern. »Wir haben einen Beutel aufgebraucht, ja. Wir müssen Waffen kaufen, Pulver, Schrot, ja sogar Nahrungsmittel.«
»Von dem Gold war nicht die Rede.«
»Wovon dann?« El Católico stand ganz still da.
Wieder ein Regentropfen, dann noch einer. Sharpe spähte zu den Wolken hinauf. Das würde ein anstrengender Marsch werden. »Captain Hardy fehlt.«
»Ich weiß.«
»Und was wissen Sie noch?«
El Católicos Zunge schoss hervor, leckte über seine Lippen. »Wir nehmen an, dass er von den Franzosen gefangen genommen wurde.« Er schlug erneut einen verächtlichen Ton an. »Zweifellos wird man ihn höflich austauschen. Sie haben keine Ahnung, was Krieg tatsächlich bedeutet, Captain.«
Harper knurrte und trat vor. »Erlauben Sie, dass ich ihn ausfrage, Sir. Ich werde ihn schon zum Reden bringen.«
»Nein.« Es war Teresa, die sich nun zu Wort meldete. »Hardy hat versucht, den Franzosen zu entkommen. Wir wissen nicht, wo er sich aufhält.«
»Die lügen.« Der Ire ballte die Hände.
Inzwischen trommelte Regen auf den trockenen Boden, in großen warmen Tropfen. Sharpe drehte sich nach der Kompanie um. »Wickelt eure Schlösser ein! Mündungen verstopfen!«
Regen war der Feind des Schießpulvers, und sie konnten nicht mehr tun als versuchen, die Gewehre und Musketen trocken zu halten. Sharpe sah, wie der Boden den Regen aufsog. Sie mussten bald aufbrechen, ehe sich der Staub in Morast verwandelte.
»Sir!«, rief Hagman vom Turm herab.
»Daniel?«
»Reiter, Sir. Ein paar Meilen südlich.«
»Franzosen?«
»Nein. Spanier, Sir.«
Nun kam es auf jede Sekunde an. Sharpe wandte sich an Harper.
»Schließt sie ein. Irgendwo.« Sie mussten Captain Hardy vergessen und schnell abmarschieren, versuchen, einen Vorsprung gegenüber den verfolgenden Partisanen zu gewinnen. Sharpe war sich darüber im Klaren, dass das unmöglich war. Das Gold war schwer. El Católico begriff es auch. Als die Spanier ohne viel Aufhebens in Richtung Dorf getrieben wurden, drängte er sich an einem der Schützen vorbei.
»Sie werden nicht weit kommen, Captain.«
Sharpe trat zu ihm. »Warum nicht?«
El Católico lächelte, zeigte auf den Regen und dann auf das Gold. »Wir werden Sie verfolgen. Und Sie töten.«
Er hatte recht. Sharpe wusste, dass er selbst dann, wenn er die Pferde einsetzte, die sich noch im Dorf befanden, nicht schnell genug vorankommen würde. Es regnete jetzt stärker, und die Tropfen prallten vom Boden ab, sodass der Eindruck eines funkelnden Nebels über der Erde entstand.
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