Sharpes Sieg
vergessen. Verzeihung, Sir.« Er entschuldigte sich, weil McCandless ein leidenschaftlicher Christ war, der Schimpfworte und ordinäre Ausdrücke verabscheute. Der schottische Colonel war ein strenger Mann, ehrbar wie ein Heiliger, und Sharpe fragte sich manchmal, weshalb er ihn so sehr mochte. Vielleicht, weil McCandless immer fair und stets wahrhaftig war und mit jedem, ob Radscha oder Sergeant, mit der gleichen ehrlichen Geradlinigkeit sprach.
»Ich habe Lieutenant Dodd nie kennen gelernt«, sagte McCandless. »Beschreiben Sie ihn mir.«
»Groß, Sir, und schlank wie Sie oder ich.«
»Nicht wie ich«, warf Major Stokes ein.
»Und sein Gesicht ist gelblich, als hätte er das Fieber gehabt«, fuhr Sharpe fort. »Längliches Gesicht, als hätte er etwas Bitteres gegessen.« Er überlegte kurz. Er hatte nur ein paar Blicke auf Dodd erhascht, und die von der Seite. »Er hat strähniges Haar, Sir, wenn er seinen Hut abnimmt. Braunes Haar. Lange Nase, wie die von Sir Arthur, und ein stark knochiges Kinn. Er nennt sich jetzt Major Dodd, Sir, nicht Lieutenant. Ich hörte, wie einer seiner Männer ihn mit Major ansprach.«
»Und er hat jeden Mann in der Garnison getötet?«, fragte McCandless.
»Ja, das hat er, Sir. Nur mich nicht. Ich hatte Glück.«
»Unsinn, Sharpe!«, sagte McCandless. »Die Hand Gottes war über Ihnen.«
»Amen«, warf Major Stokes ein.
McCandless starrte Sharpe grübelnd an. Der Colonel hatte ein markantes Gesicht mit sonderbar blauen Augen. Er behauptete immer, dass er sich in seiner schottischen Heimat zur Ruhe setzen wolle, aber er fand stets einen Grund, in Indien zu bleiben. Eine große Zeit seines Lebens hatte er in den Provinzen verbracht, die an das Land grenzten, das von der Company verwaltet wurde, denn es war seine Aufgabe, diese Gebiete zu erkunden und ihre Bedrohungen und Schwächen zu melden. In Indien geschah wenig, was McCandless entging, aber Dodd war ihm entgangen und jetzt seine große Sorge. »Wir haben ein Kopfgeld von fünfhundert Guineen auf ihn ausgesetzt«, sagte der Colonel.
»Allmächtiger!«, stieß Major Stokes erstaunt hervor.
»Er ist ein Mörder«, fuhr McCandless fort. »Er hat einen Goldschmied in Seedesegur ermordet und sollte vor Gericht gestellt werden, doch er flüchtete. Ich möchte, dass Sie, Sharpe, mir helfen, ihn zu schnappen. Und ich verfolge den Schuft nicht, weil ich das Kopfgeld kassieren will. Ich werde es nämlich ablehnen. Aber ich will ihn haben, und ich möchte, dass Sie mir helfen.«
Major Stokes setzte zu einem Protest an, wollte sagen, dass Sharpe sein bester Mann sei und die Waffenkammer ohne ihn vor die Hunde gehen würde, doch McCandless schoss dem liebenswürdigen Major einen scharfen Blick zu, der ausreichte, um ihn verstummen zu lassen.
»Ich will Lieutenant Dodd gefangen nehmen«, sagte McCandless unerbittlich, »und ich will, dass er verurteilt und hingerichtet wird, und dazu brauche ich jemanden, der ihn schon zu Gesicht bekommen hat und ihn wiedererkennt.«
Major Stokes sammelte allen Mut, um seinen Einwand vorzubringen. »Aber ich brauche Sergeant Sharpe! Er organisiert alles! Die Dienstpläne, die Lagerhaltung, die Kassenverwaltung, alles!«
»Ich brauche ihn mehr«, fuhr McCandless den unglücklichen Major an. »Wissen Sie, wie viele Briten in Indien sind, Major? Vielleicht zwölftausend, und weniger als die Hälfte davon sind Soldaten. Unsere Macht ruht nicht auf den Schultern von weißen Männern, Major, sondern auf den Musketen unserer Sepoys. Neun von zehn Männern, die eine Invasion in die Marathen-Provinzen machen, werden Sepoys sein, und Lieutenant Dodd hat über hundert davon überredet zu desertieren! Er hat sie zur Fahnenflucht angestiftet! Können Sie sich unser Schicksal vorstellen, wenn die anderen Sepoys ihrem Beispiel folgen? Sindhia wird Dodds Männer mit Gold überschütten, Major, mit Geld und Beute, in der Hoffnung, dass andere ihnen folgen werden. Ich muss das stoppen, und dafür brauche ich Sharpe.«
Major Stokes erkannte, dass er sich in das Unvermeidliche fügen musste. »Und Sie werden ihn zurückbringen, Sir?«
»Wenn Gott will, ja. Nun, Sergeant, werden Sie mit mir kommen?«
Sharpe blickte zu Major Stokes, der mit den Schultern zuckte, lächelte und dann sein Einverständnis nickte. »Ich komme mit, Sir«, sagte er zu dem schottischen Colonel.
»Wann können Sie zum Aufbruch bereit sein?«
»Ich bin sofort bereit, Sir.« Sharpe wies auf den neu ausgegebenen Tornister und die Muskete, die
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