Sharpes Trafalgar
wenn der Wind zu stark von Osten bläst, suchen die Blockadeschiffe Deckung auf, und die Franzosen können aus dem Hafen auslaufen.«
»Sie sind seit zehn Jahren nicht gesegelt«, bemerkte Lord William, »so nehme ich an, dass wir sicher in unseren Betten schlafen können.«
Lady Graces Fuß glitt zärtlich an Sharpes Wade auf und ab.
»Aber wenn der Kaiser eine Invasion in Britannien macht«, fragte Pohlmann, »wer wird dann Frankreich verteidigen?«
»Ich vertraue auf die Preußen. Auf die Preußen und die Österreicher.« Lord William schien sehr sicher zu sein.
»Nicht auf die Briten?«, fragte Pohlmann.
»Wir haben keinen Hund in dem europäischen Rattenloch«, sagte Lord William. »Wir sollten unsere Armee dazu benutzen ...«, er blickte zu Sharpe, »... um unseren Handel zu schützen.«
»Sie meinen, wir würden verschwendet, wenn wir gegen die Franzosen kämpfen?«, fragte Sharpe. Lady Graces Fuß drückte warnend auf seinen.
Lord William dachte über Sharpes Worte kurz nach. Dann zuckte er mit den Schultern. »Die französische Armee würde unsere in einem Tag vernichten«, sagte er höhnisch. »Sie mögen einige Siege über indische Armeen gesehen haben, Sharpe, aber das ist kaum dasselbe, wie gegen Frankreich zu kämpfen.«
Graces Fuß drückte härter auf Sharpes Spann.
»Ich finde, wir würden unsere Sache gut machen«, behauptete Major Dalton, »und die indischen Armeen sind nicht zu verachten, Mylord, überhaupt nicht.«
»Feine Soldaten!«, sagte Pohlmann herzlich und fügte dann hastig hinzu: »Das hat man mir jedenfalls gesagt.«
»Es geht nicht um die Qualität der Soldaten«, sagte Lord William aufgebracht, »sondern um ihre Führung. Guter Gott! Selbst Arthur Wellesley schlug die Inder! Er ist ein entfernter Cousin von uns, nicht wahr, mein Liebling?« Er wartete nicht auf eine Antwort seiner Frau. »Und er war nie besonders helle. Ein ziemlich mieser Schüler.«
»Sie waren mit ihm auf der Schule, Mylord?«, fragte Sharpe interessiert.
»Eton«, sagte Lord William knapp. »Und mein jüngerer Bruder war dort mit Wellesley, der verdammt schlecht in Latein war. Er brach früh ab, glaube ich. War dem Niveau nicht gewachsen.«
»Aber er lernte, Kehlen durchzuschneiden«, sagte Sharpe.
»Ganz richtig«, stimmte der Major begierig hinzu. »Sie waren bei Argaum, Sharpe. Sie haben doch gesehen, wie er diese Sepoys antreten ließ. Die Linie war gebrochen, das feindliche Feuer wie ein Hagelschauer, Kavallerie lauerte an der Flanke, und da ist Ihr Cousin, Ma'am, und bringt die Kameraden in aller Ruhe wieder in die Linie zurück.«
»Arthur ist ein sehr ferner Cousin«, sagte Grace und lächelte Dalton an, »obwohl mich Ihre gute Meinung über ihn freut, Major.«
»Und Sharpes gute Meinung hoffentlich auch?«, sagte Dalton.
Lady Grace sah aus, als schaudere ihr bei dem Gedanken, Sharpes Meinung auch nur in Erwägung zu ziehen, und zugleich trat sie ihm heimlich ans Schienbein, sodass er fast grinste.
Lord William betrachtete Sharpe kühl. »Sie mögen Wellesley nur, weil er Sie zum Offizier gemacht hat. Was nur loyal von Ihnen, aber kaum weniger diskriminierend ist.«
»Er ließ mich auch auspeitschen, Mylord.«
Das brachte Stille an den Tisch. Lady Grace wusste als Einzige, dass Sharpe ausgepeitscht worden war, denn sie hatte mit ihren zarten Fingern über die Narben auf seinem Rücken gestreichelt, doch die übrigen Gäste am Tisch starrten ihn an, als sei er ein übles Monster, das gerade aus der See gefischt worden war.
»Sie wurden ausgepeitscht?«, fragte Dalton erstaunt.
»Zweihundert Hiebe«, sagte Sharpe.
»Die hatten Sie sich bestimmt verdient«, sagte Lord William amüsiert.
»Zufällig nicht, Mylord.«
»Na, na, Sharpe.« Lord William runzelte die Stirn. »Jeder sagt das, nicht wahr, Fazackerly? Haben Sie je erlebt, dass ein Übeltäter die Verantwortung für seine Straftat übernommen hat?«
»Nie, Mylord.«
»Es muss furchtbar wehgetan haben«, meinte Leutnant Tufnell mitfühlend.
»Das«, sagte Lord William, »ist ja auch der Sinn der Sache. Sie können keine Schlachten ohne Disziplin gewinnen, und es gibt keine Disziplin ohne die Peitsche.«
»Die Franzosen benutzen die Peitsche nicht«, sagte Sharpe sanft und starrte zum Großsegel hinauf, »und da sagen Sie mir, Mylord, dass sie uns in einem Tag vernichten werden.«
»Das ist eine Frage der Anzahl, Sharpe. Offiziere sollten auch rechnen können.«
»Ich schaffe es, bis zweihundert zu zählen«, sagte Sharpe
Weitere Kostenlose Bücher