Sharpes Trafalgar
und wurde mit einem weiteren Tritt von Grace belohnt.
Sie beendeten die Mahlzeit mit Trockenobst, dann tranken die Männer Brandy. Sharpe schlief am Nachmittag in einer Hängematte unter den Ersatzspieren auf dem Hauptdeck, auf dem die Beiboote während der Reise vertäut waren. Er träumte von der Schlacht. Er flüchtete, verfolgt von einem gigantischen Inder mit einem Speer. Er erwachte schweißnass und blickte sofort zur Sonne, denn er wusste, dass er Grace erst treffen konnte, wenn es dunkel war. Sehr dunkel. Bis alle auf dem Schiff schliefen und nur die Nachtwache an Deck war. Aber Braithwaite würde in der Dunkelheit lauern und lauschen. Was, zur Hölle, konnte er gegen Braithwaite unternehmen? Er wagte es nicht, Lady Grace von den Anschuldigungen des Mannes zu erzählen, denn das würde ihr einen Schrecken einjagen.
Er aß im unteren Zwischendeck, und als die Dunkelheit hereinbrach, schritt er auf dem Hauptdeck auf und ab. Und immer noch musste er warten, bis Lord William seine Partie Whist oder Backgammon beendet, sein Laudanum genommen hatte und zu Bett gegangen war.
Die Schiffsglocke läutete die Nacht ein, und Sharpe wartete in den tiefen Schatten zwischen dem Großmast und dem Schott, das das vordere Ende des Achterdecks bildete. Dorthin konnte sie ungesehen von jemandem aus der Mannschaft auf das Achterdeck kommen. Sie benutzte den Niedergang, der von der Kapitänskajüte hinab zur großen Kabine führte, und ging dann durch eine Tür, die auf das Hauptdeck führte. Sie schlich zwischen den Zwischenwänden aus Segeltuch hinaus durch eine Tür auf das offene Deck. Dort würde Sharpe sie an die Hand nehmen und sie hinabführen in den warmen Gestank des unteren Zwischendecks und zu seiner schmalen Koje, wo sie sich mit einem Verlangen, das sie beide erstaunte, wie Ertrinkende aneinanderklammern würden. Allein bei dem Gedanken daran wurde es Sharpe schwindlig. Er war verrückt nach Grace und wie berauscht in seiner Vorfreude.
Er wartete. Das Takelwerk knarrte. Der Großmast bewegte sich kaum wahrnehmbar unter Windstößen. Er konnte einen Offizier auf dem Achterdeck auf und ab gehen hören und nahm das Schaben von Händen am Ruder wahr. Die Flagge flatterte am Heck, die See schwappte an den Seiten des Schiffs, und Sharpe wartete immer noch. Er starrte zu den Sternen empor, die durch die Segel hindurch sichtbar waren, und glaubte, zu Biwakfeuern einer großen Armee am Himmel zu blicken.
Er schloss die Augen, wünschte, sie würde kommen, und wünschte, dass die Reise niemals enden würde. Er wünschte, dass sie ewig Geliebte auf einem Segelschiff unter den Sternen sein konnten, denn wenn die Calliope in England eintreffen würde, dann würde Grace von ihm fortgehen. Sie würde zum Haus ihres Mannes in Lincolnshire gehen, und Sharpe würde nach Kent gehen, zu einem Regiment, das er noch nie gesehen hatte.
Dann wurde die Tür geöffnet, und sie war da, duckte sich in ihrem weiten Mantel neben ihn. »Komm zum Achterdeck«, flüsterte sie.
Er wollte nach dem Grund fragen, verbiss es sich jedoch, denn ihre Stimme hatte drängend geklungen, und er nahm an, wenn es für sie wichtig war, dann auch für ihn, und so ließ er sich von ihr an die Hand nehmen und zum Quartierraum auf dem Hauptdeck führen. Diese Quartiere kosteten das Gleiche wie auf dem Zwischendeck, waren jedoch viel trockener und luftiger. Es war stockfinster, denn ab neun Uhr abends war kein Licht erlaubt, mit Ausnahme in den Tageskabinen des Achterdecks, wo Fensterblenden an den schmalen Luken angebracht werden konnten.
Lady Grace umschlang seine Hand, als sie sich ihren Weg zu der Tür ertasteten, die zur großen Kabine und dann die Treppe hinaufführte. »Als ich die Kabine verließ«, flüsterte sie ihm auf dem oberen Treppenabsatz zu, »sah ich Pohlmann in die Kajüte gehen.«
Sie führte ihn zu der Tür, die sich hinten auf das Achterdeck öffnete, und sie traten hinaus, riskierten, vom Steuermann und dem Wachoffizier vom Dienst gesehen zu werden, aber wenn das der Fall war, gab es kein Anzeichen darauf. Sie stiegen zum Achterdeck hinauf, und Lady Grace wies zum Oberlicht, aus dem Captain Cromwells Anweisungen zuwider ein schwaches Licht fiel.
Sharpe und Lady Grace schlichen wie Kinder, die zu lange nach der Schlafenszeit aufgeblieben waren, nahe an das Oberlicht heran. Vier der zehn Scheiben waren geöffnet, und Sharpe konnte das Murmeln von Stimmen hören. Lady Grace spähte über die Kante und zog sich dann zurück. »Sie sind
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