Sharpes Weihnacht
Straßengräben und die tiefen Furchen voll, die von den schweren Feldgeschützen hinterlassen worden waren. Niemand sonst war auf dem Marsch, nur Sharpes Regiment war unterwegs, um ein Loch in den Bergen zu stopfen und die Franzosen so von der Flucht abzuhalten. Nicht dass Sharpe glaubte, er würde Weihnachten kämpfen müssen. Noch nicht einmal Hogan wusste mit Sicherheit, ob die Garnison von Ochagavia marschieren würde oder nicht, und falls die Franzosen wirklich versuchen sollten zu fliehen, dann würden sie vermutlich die Hauptstraße im Osten nehmen. Also rechnete Sharpe nur mit einem langen Marsch und einem kalten Weihnachtsfest. Doch König George wollte, dass er nach Irati marschierte, und so würde er nach Irati gehen – und Gott stehe den Froschfressern bei, sollten sie das Gleiche tun.
Colonel Jean Gudin schaute zu, wie die Trikolore eingeholt wurde. Das Fort in Ochagavia, das er vier Jahre lang kommandiert hatte, wurde aufgegeben, und das tat weh. Es war ein Eingeständnis des Versagens, und Versagen war etwas, das Gudin nur allzu gut kannte.
Doch Versagen hin oder her, soweit Gudin sehen konnte, bewachte das Fort ohnehin nichts mehr. Sicher, es beherrschte die Straße in die Berge, doch Versorgungsgüter waren nie über diese Straße transportiert worden, und so war sie auch nie von den gefürchteten Guerilleros heimgesucht worden, unter denen die anderen französischen Garnisonen in Spanien zu leiden gehabt hatten. Immer wieder und wieder hatte Gudin seine Vorgesetzten darauf hingewiesen, doch irgendwo in Paris steckte eine Nadel in einer Karte von Spanien, die die Garnison von Ochagavia repräsentierte, und niemand war bereit gewesen, diese Nadel aufzugeben – bis jetzt. Plötzlich hatte sich irgendein Bürokrat an die Existenz des Forts erinnert und erkannt, dass dort tausend gute Männer stationiert waren, die dringend zur Verteidigung des Vaterlandes benötigt wurden.
Und diese Männer bereiteten sich nun auf die Flucht vor. Dreihundert davon gehörten zu Gudins Garnison. Bei den anderen handelte es sich um Flüchtlinge, die nach der Katastrophe bei Vitoria nach Ochagavia gekommen waren. Einige dieser Flüchtlinge waren Dragoner, doch die meisten waren Infanteristen des 75. Regiments, die gerade unter ihrem Adler und dem wachsamen Blick ihres jähzornigen Chef de Bataillon, Colonel Caillou, auf dem Hof Aufstellung nahmen. Und in der Nähe der Männer des 75. drängten sich Frauen und Kinder um zwei Pferdewagen.
»Diese verdammten Weiber kommen nicht mit«, erklärte Caillou. Er saß auf einem schwarzen Hengst, den er neben Gudin lenkte. »Ich dachte, wir hätten vereinbart, die Frauen hier zu lassen.«
»Ich habe gar nichts vereinbart«, erwiderte Gudin knapp.
Caillou schnaubte verächtlich und funkelte die zitternden Weiber an. Größtenteils handelte es sich dabei um die Frauen und Mätressen von Gudins Männern. Es waren neunzig an der Zahl mit fast ebenso vielen Kindern, und einige von ihnen trugen Babys auf dem Arm. »Das sind doch nur Spanierinnen, verdammt noch mal!«, schnappte Caillou.
»Nicht alle«, entgegnete Gudin. »Einige sind auch Französinnen.«
»Französinnen oder Spanierinnen, egal.« Caillou blieb hartnäckig. »Sie werden uns aufhalten. Eine hohe Marschgeschwindigkeit ist für unseren Erfolg von entscheidender Bedeutung, Gudin. Kühnheit! Schnelligkeit! Das bedeutet Sicherheit. Wir können die Frauen und Kinder nicht mitnehmen.«
»Wenn sie bleiben«, erwiderte Gudin stur, »dann sind sie so gut wie tot.«
»So ist der Krieg nun mal, Gudin«, erklärte Caillou. »Die Starken überleben, und die Schwachen sterben.«
»Wir sind Soldaten Frankreichs«, entgegnete Gudin steif, »und wir lassen Frauen und Kinder nicht zum Sterben zurück. Sie werden mit uns marschieren.« Jean Gudin wusste, dass sie ob dieser Entscheidung vielleicht alle sterben würden, egal ob Soldat, Frau oder Kind, aber er konnte diese spanischen Frauen einfach nicht zurücklassen, die sich französische Ehemänner gesucht und halb französische Kinder geboren hatten. Würde er sie zurücklassen, dann würden die Guerilleros sie finden und zu Verrätern erklären. Man würde sie foltern, und sie würden sterben. Nein, dachte Gudin, er konnte sie nicht zurücklassen. »Und Maria ist schwanger«, fügte er hinzu und nickte in Richtung eines Munitionswagens, auf dem eine Frau unter grauen Armeedecken lag.
»Das ist mir egal! Und wenn sie die Jungfrau Maria höchstpersönlich wäre!«, explodierte
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