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Sharpes Weihnacht

Sharpes Weihnacht

Titel: Sharpes Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sicherstellen, dass keine Froschfresser in seinem Rücken lauerten.
    »Hat Ihnen Indien gefallen?«, fragte d’Alembord.
    »Es war ein wenig heiß«, antwortete Sharpe, »und das Essen konnte einem schneller die Eingeweide aufreißen als eine Musketenkugel, aber ja, es hat mir gefallen. In Indien habe ich unter dem besten Colonel gedient, den ich je gehabt habe.«
    »Meinen Sie den Schotten?«, fragte d’Alembord.
    »Nicht McCandless, nein.« Sharpe lachte. »McCandless war ein guter Kerl, aber auch ein wenig kleinlich, und seine Bibelsprüche kamen mir verdammt schnell zu den Ohren raus. Nein, der Mann, den ich meine, war ein Crapaud. Aber das ist eine lange Geschichte, Dally, und ich will Sie nicht langweilen, doch eine Zeitlang habe ich in Indien mit dem Feind gedient – absichtlich sogar.«
    »Absichtlich?« D’Alembord klang überrascht.
    »Das war alles ganz offiziell«, erklärte Sharpe, »und zu guter Letzt habe ich unter einem Colonel Gudin gedient. Er war sehr gut zu mir, dieser Colonel Gudin. Er wollte sogar, dass ich ihn nach Frankreich begleite, und ich muss gestehen, dass ich in Versuchung war.«
    »Wirklich?«
    »Gudin war ein netter Kerl«, sagte Sharpe, »aber das war vor langer Zeit, Dally, vor sehr, sehr langer Zeit.« Und damit war das Gespräch für Sharpe beendet. D’Alembord wünschte, Sharpe würde ihm die ganze Geschichte von Colonel Gudin erzählen, aber er wusste, wenn Sharpe erst einmal gesagt hatte, es sei schon lange her, dann waren keine weiteren Erinnerungen mehr aus ihm herauszubekommen. D’Alembord hatte gesehen, wie Leute versucht hatten, von Sharpe zu erfahren, wie er den französischen Adler bei Talavera erobert hatte. Sharpe hatte dann immer nur mit den Schultern gezuckt und erklärt, dass das jeder hätte tun können. Er habe einfach Glück gehabt und sei zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Das Ding habe halt nach einem neuen Besitzer gesucht, sagte er. Aber sicher doch, dachte d’Alembord. Sharpe war schlicht und ergreifend der beste Soldat, den er je kennengelernt hatte, und er würde auch keinen besseren mehr kennenlernen – davon war er fest überzeugt.
    Sharpe blieb auf dem Sattel des Passes stehen und holte ein Fernrohr aus der Tasche seines grünen Jacketts. Die Außenhülle des Fernrohrs war aus Ebenholz, und auf einer Goldplakette stand dort auf Französisch: »Für Joseph, König von Spanien und Westindien, von seinem Bruder Napoleon, Kaiser von Frankreich.« Das war wieder so eine Geschichte, die Sharpe nicht erzählen wollte. Jetzt richtete er das teure Gerät nach Norden, um die nebelverhangenen Hänge jenseits der Grenze abzusuchen. Er sah Felsen, verkrüppelte Bäume, das Funkeln eines Bergbachs und jenseits davon die Gipfel der Berge. Das ist ein kaltes, nasses und hartes Land, dachte er, kein Ort für meine Soldaten, um dort Weihnachten zu verbringen. »Nicht ein Froschfresser zu sehen«, bemerkte Sharpe glücklich. Er wollte gerade das Fernrohr wieder senken, als er an einem fernen Hang eine Bewegung wahrnahm. Dort führte die Straße durch eine Klamm, und Sharpe hielt den Atem an, während er in die schmale Schlucht starrte.
    »Was ist?«, verlangte d’Alembord zu wissen.
    Sharpe antwortete ihm nicht. Er starrte einfach nur auf den Riss in der Felslandschaft, aus dem plötzlich eine Armee auftauchte. Oder zumindest sah es wie eine Armee aus. Eine Kolonne Infanterie nach der anderen marschierte in grauen Mänteln aus der Schlucht. Und sie kamen aus Frankreich. Sharpe gab d’Alembord das Fernrohr. »Sagen Sie mir, was Sie da sehen, Dally.«
    D’Alembord richtete das Fernrohr auf den Hang und fluchte leise. »Ich schätze, das ist mindestens eine Brigade, Sir.«
    »Und sie kommen auch noch aus der falschen Richtung«, fügte Sharpe hinzu. Ohne Fernrohr konnte er den fernen Feind nicht sehen, aber er konnte sich denken, was sie vorhatten. Die Garnison würde versuchen, über diese Straße zu entkommen, und die französische Brigade war geschickt worden, um sicherzustellen, dass die Grenze offen war. »Sie werden es diese Nacht nicht mehr bis hierher schaffen«, sagte Sharpe. Die Sonne war bereits hinter den Gipfeln im Westen versunken, und die ersten Schatten der Nacht fielen aufs Land.
    »Aber morgen sind sie hier«, sagte d’Alembord nervös.
    »Aye, morgen. An Heiligabend«, sagte Sharpe.
    »Und es sind verdammt viele«, bemerkte d’Alembord.
    »Stimmt.« Sharpe nahm wieder das Fernrohr und schaute zu den näher rückenden Franzosen hinüber.

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