Sharpes Zorn (German Edition)
schwer. Um einen französischen Zwölfpfünder, das am weitesten verbreitete Geschütz im Arsenal des Kaisers, mitsamt Protze, Gespann und Mannschaft durch die Marschen zu bringen, brauchte man Pioniere, und als Maréchal Victor Général Villattes Division befohlen hatte, den Almanza zu überqueren, hatten sie keine Zeit mehr gehabt, Pioniere herbeizuordern, ganz zu schweigen davon, dass sie es ohnehin nicht mehr geschafft hätten, einen Knüppeldamm über den Sumpf zu bauen. So war Villatte nun also gezwungen, Lapenas Armee ausschließlich mit Infanterie aufzuhalten.
Maréchal Victor war kein Narr. Bei Marengo und in Friedland hatte er sich einen gewissen Ruf verdient, und seit er nach Spanien gekommen war, hatte er zwei spanische Armeen besiegt, eine bei Espinosa, die andere bei Medellin. Sicher, bei Talavera hatte Lord Wellington ihm eine blutige Nase verpasst, doch Le Beau Soleil, die Schöne Sonne, wie seine Männer ihn nannten, betrachtete das schlicht als Laune des Schicksals. »Ein Soldat, der noch nie besiegt worden ist«, pflegte er zu sagen, »hat auch nie etwas gelernt.«
»Und was haben Sie von Lord Wellington gelernt?«, hatte Général Ruffin ihn daraufhin gefragt, ein Riese von einem Mann, der eine von Victors Divisionen befehligte.
»Ich habe von ihm gelernt, nie wieder zu verlieren, François!«, hatte Victor erwidert und gelacht. Claude Victor war eine freundliche Seele, offen und großmütig. Seine Soldaten liebten ihn. Einst war er selbst einer von ihnen gewesen. Sicher, er hatte bei der Artillerie gedient, was natürlich nicht dasselbe war wie bei der Infanterie, aber er war ein einfacher Soldat gewesen und er liebte seine Männer, erwartete aber auch von ihnen, dass sie genauso hart kämpften, wie er sie hart führte. Er war ein tapferer und guter Mann, das sagten alle von ihm. Le Beau Soleil. Und er war kein Narr. Er wusste, dass Villattes Infanterie den vorrückenden Spaniern ohne Artillerieunterstützung nicht standhalten konnte, aber sie konnten Lapena zumindest lange genug auf dem schmalen Strand aufhalten, bis sich Victors andere beiden Divisionen, die von Laval und Ruffin, in den Rücken der Alliierten geschlichen hatten. Dann würde die Falle zuschnappen. Die alliierte Armee würde in den schmalen Durchgang getrieben werden, der am Rio Sancti Petri endete. Villattes Männer würden unter dem wachsenden Druck zwar zurückweichen, doch dann würden sich die beiden anderen Divisionen wie Racheengel von hinten auf den Feind stürzen. Nur einer Hand voll Spaniern und Briten würde es gelingen, die Pontonbrücke zu überqueren, den Rest würden die Franzosen zusammentreiben und abschlachten, bis sich die Überlebenden ergaben. Das war unvermeidlich. Und es war auch so einfach! Die alliierte Armee war sich des Schicksals offenbar nicht bewusst, das sie erwartete, denn sie war immer noch in Marschordnung und verteilte sich auf drei Meilen Länge entlang der Küstenstraße. Der Maréchal hatte ihren Vormarsch von Tarifa aus beobachtet und war zu der Überzeugung gelangt, dass er es mit feindlichen Kommandeuren zu tun hatte, die nichts von ihrem Handwerk verstanden. Ja, das würde wirklich leicht werden.
Nun hatte Villatte den Almanza überquert und war in Position. Er war der Amboss, und Laval und Ruffin, die beiden Hämmer, waren bereit zum Angriff. Maréchal Victor ließ noch ein letztes Mal den Blick über die Heide und das von ihm gewählte Schlachtfeld schweifen, und ihm gefiel, was er sah. Zu seiner Rechten, nicht weit von Cadiz entfernt, floss der Almanza, den er mit Infanterie leicht überqueren konnte, aber nicht mit Artillerie. Also würde Villatte dort mit Musketen allein kämpfen müssen. Im Zentrum, südlich des kleinen Flusses, befand sich ein schmaler Landstrich Heide, der in einem dichten Pinienwald endete, der den Blick auf das Meer versperrte. Seine Kundschafter hatten berichtet, dass sich die feindliche Kolonne größtenteils auf der Straße verteilte, die durch den Wald und schließlich zum Strand dahinter führte. Deshalb würde Maréchal Victor nun Général Laval den Befehl geben, den Wald zu attackieren und zum Strand durchzubrechen. Allerdings bedrohte ein Hügel die Flanke des Angreifers, der ebenfalls den Blick auf das Meer versperrte. Es war jedoch kein sonderlich hoher Hügel. Maréchal Victor schätzte, dass er nicht mehr als zweihundert Fuß über die umliegende Heide aufragte, aber er war recht steil und wurde von der Ruine einer alten Kapelle in einem
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