Sharpes Zorn (German Edition)
Riflemen feuerten noch immer auf die französischen Kanoniere, doch nur eines der feindlichen Geschütze war überhaupt noch unbeschädigt. Das war die Haubitze, und Duncan hatte die Mannschaft mit einer fein gezielten Kartätsche erledigt.
»Schaltet die nächstbesten von den Bastarden da aus«, sagte Sharpe zu seinen Männern und deutete auf die französische Linie, die er durch das Fernrohr beobachtete. Was er sah, waren Rauch und blaue Röcke. Er nahm das Fernrohr herunter.
Sharpe hatte das Gefühl, dass die Schlacht irgendwie zum Stillstand gekommen war. Natürlich ging das Schießen und Töten weiter, aber keine der beiden Seite versuchte, die Situation zu verändern. Beide Seiten dachten nach, warteten und töteten dabei, und Sharpe hatte den Eindruck, dass die Franzosen allmählich den Vorteil errangen, obwohl das Musketenfeuer der Rotröcke ihnen arg zugesetzt hatte. Sie hatten mehr Männer, also konnten sie es sich leisten, das Musketenduell zu verlieren, und ihr Zentrum rückte langsam vor. Allerdings schien das kein absichtliches Manöver zu sein, sondern mehr in der Tatsache begründet zu liegen, dass die Männer in den hinteren Reihen nach vorn drückten. Die linke Flanke der Franzosen steckte jedoch fest. Duncans Artillerie hatte sie festgenagelt und die französischen Geschütze aus dem Kampf genommen, doch die rechte Flanke der Froschfresser und ihr Zentrum lagen nicht unter Artilleriebeschuss.
Inzwischen waren sie über die Leichenberge hinweggestiegen, die von ihrer vordersten Reihe übrig geblieben waren, und sie wurden allmählich mutiger. Ihre Salven mochten nach britischem Standard zwar uneffektiv sein, aber sie forderten ihren Tribut. Die Franzosen hatten das Schlimmste ertragen, was die Rotröcke ihnen entgegenschleudern konnten, und nun rückten sie langsam gegen ihren geschwächten Feind vor.
Sharpe ging ein paar Schritte zurück und schaute hinter die britische Linie. Nirgends war auch nur ein Spanier zu sehen, und er wusste, dass die Briten keine Reserven mehr hatten. Wenn die Männer auf der Heide es nicht schafften, dann mussten die Franzosen gewinnen, und die Armee würde zerschlagen werden.
Sharpe kehrte wieder zu seinen Männern zurück, die inzwischen auf die französische Infanterie feuerten. Über den Köpfen der Franzosen war ein Adler zu sehen, und neben dem Adler ritt eine Gruppe Reiter. Sharpe richtete sein Fernrohr auf sie, und kurz bevor der Pulverdampf die Standarte wieder verdecken konnte, da sah er ihn.
Colonel Vandal.
Vandal schwenkte seinen Hut und trieb seine Männer vorwärts. Sharpe sah den weißen Federbusch auf dem Hut und den schmalen schwarzen Schnurrbart, und blinde Wut erfüllte ihn. »Pat!«, schrie er.
»Sir?« Sharpes Tonfall ließ Harper besorgt die Stirn runzeln.
»Ich habe den Bastard gefunden«, verkündete Sharpe und nahm das Gewehr von der Schulter. Bis jetzt hatte er nicht geschossen, doch nun spannte er den Hahn.
Und die Franzosen rochen den Sieg. Es würde ein hart erkämpfter Triumph sein, doch ihre Trommler mobilisierten den letzten Rest ihrer Kraft, und ein Ruck ging durch die Linie. »Vive l’Empereur!«
Mindestens dreißig Offiziere waren von San Fernando aus nach Süden geritten. Als Sir Thomas’ Streitmacht losgesegelt war, waren sie auf der Isla de León geblieben, und an diesem Dienstagmorgen waren sie von Musketenfeuer geweckt worden, und weil sie nicht im Dienst waren, hatten sie ihre Pferde gesattelt und waren nach Süden geritten, doch nur, um dort zu sehen, was jenseits des Rio Sancti Petri geschah.
Sie ritten am langen Strand der Isla de León nach Süden, wo sie sich einer Gruppe Neugieriger aus Cadiz anschlossen, die ebenfalls in Richtung Schlacht ritten. Sogar einige Kutschen fuhren durch den Sand. Nicht jeden Tag wurde eine Schlacht so nahe an einer Stadt ausgetragen, und das Schießen, das die Fenster in Cadiz hatte klappern lassen, hatte Dutzende von Schaulustigen auf die Landenge hinausgezogen.
Der griesgrämige spanische Offizier, der die Pontonbrücke bewachte, tat sein Bestes, um die Zivilisten davon abzuhalten, den Fluss zu überqueren, doch als ein offener Zweispänner auf ihn zuraste, konnte er nichts dagegen tun. Der Kutscher war ein britischer Offizier, sein Passagier eine Frau. Und der Offizier drohte dem Spanier mit der Peitsche, wenn er nicht sofort die Barrikade aus dem Weg räumte. Es war allerdings weniger die Drohung mit der Peitsche als vielmehr die aufwendigen Silberlitzen an der Uniform des
Weitere Kostenlose Bücher