Sharras Exil - 17
kümmert, sie
anzieht und badet und darauf sieht, dass sie die geeigneten
Spielsachen und Gefährten hat. Regis bot an, sie zu Javanne zu
bringen, seine Schwester hatte Zwillingstöchter etwa in Marjas
Alter. Ich dankte ihm, lehnte jedoch ab. Javanne Hastur hatte
mich nie leiden mögen, und Gabriel Lanart-Hastur, Javannes
Mann, war einer der Hauptbewerber um die Domäne. Das
Letzte, was ich mir wünschte, war, dies Kind in seine Hände zu
geben.
Voller Bedauern dachte ich an Dio. Ich war zu schnell bereit
gewesen, unsere Ehe aufzulösen. Sie hatte mein Kind gewollt,
und da unser Sohn gestorben war, hätte sie vielleicht diesem
Kind erlaubt, den leeren Platz auszufüllen … aber nein, es wäre zu viel verlangt, dass sie das Kind einer anderen Frau als ihr eigenes liebte. Wenn ich an Dio dachte, stiegen das alte Leid und der alte Groll wieder an die Oberfläche. Jedenfalls, wenn sie hier gewesen wäre, hätte ich sie um Rat fragen können, wie man ein kleines Mädchen erzieht … Ich fragte mich, was Callina dazu sagen würde. Und dann fiel mir wieder ein, dass Callina geschworen hatte, Beltran zu heiraten.
Nur über meine Leiche, gelobte ich stumm, ließ Marja in Andres’ Obhut (er sagte, er kenne eine anständige Frau, die Ehefrau eines der Friedensmänner meines Vaters, die zu Marja kommen würde, wenn ich mit ihr heim nach Armida ginge) und suchte Callina auf.
Sie sah müde und zerquält aus.
»Das Mädchen ist wach«, teilte sie mir mit. »Sie war hysterisch, als sie aufwachte; ich musste ihr ein Beruhigungsmittel geben. Jetzt ist es ein bisschen besser geworden, aber natürlich beherrscht sie unsere Sprache nicht, und sie fürchtet sich an diesem fremden Ort. Lew, was werden wir jetzt tun?«
»Das kann ich erst sagen, wenn ich sie gesehen habe. Wo ist sie?« So viel war in den letzten Stunden geschehen, dass ich Asharas Plan und die Frau, die wir durch den Schirm hergeholt hatten, beinahe vergessen hätte. Das Mädchen war in ein geräumiges Zimmer der Aillard-Suite gebracht worden. Als wir eintraten, lag sie über dem Bett, das Gesicht in den Decken vergraben, und sie sah aus, als habe sie geweint. Aber das Gesicht, das sie mir entgegenhob, war tränenlos und herausfordernd. Sie war immer noch Linnells Double, umso mehr, als sie jetzt anständige Kleider trug, die, wie ich richtig vermutete, Linnell gehörten.
»Bitte, sagen Sie mir die Wahrheit«, forderte sie mich mit fester Stimme auf. »Bin ich verrückt und irgendwo eingesperrt?« Sie sprach einen der Dialekte, die ich perfekt beherrschte … natürlich, ich hatte in dieser Nacht auf Vainwal, als mein Sohn geboren wurde und starb, längere Zeit mit ihr gesprochen. Und gerade als mir das durch den Kopf ging, spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider, dass auch sie sich erinnerte.
»Aber ich kenne Sie doch!«, rief sie aus. »Der Mann mit der einen Hand … der das … das … das schrecklich deformierte …« Mein Gesicht muss einen Ausdruck angenommen haben, den sie sich nicht zu deuten wusste, denn sie brach ab. »Wo bin ich? Warum haben Sie mich entführt und hierher gebracht?« Ich erklärte ruhig: »Sie brauchen keine Angst zu haben.« Genauso hatte ich zu Marja gesprochen; auch sie hatte Angst vor mir gehabt. Aber ich konnte diese Frau nicht mit den gleichen Worten trösten wie ein fünfjähriges Mädchen. »Gestatten Sie mir, mich vorzustellen. Lewis-Kennard Montray-Lanart, z’par servu …«
»Ich weiß, wer Sie sind«, erwiderte sie. »Was ich nicht weiß, ist, wie ich hergekommen bin. Eine rote Sonne …«
»Wenn Sie sich nicht aufregen, werde ich Ihnen alles erklären«, versprach ich. »Verzeihen Sie, ich kann mich nicht an Ihren Namen erinnern …«
»Kathie Marshall«, sagte sie.
»Terranan?«
»Ja. Aber ich weiß, wir sind nicht auf Terra, und auf Vainwal auch nicht.« Ihre Stimme zitterte, aber sie ließ sich ihre Furcht nicht anmerken. Ich fuhr fort: »Für die Terranan ist dies Cottmans Stern. Wir nennen unsere Welt Darkover. Wir haben Sie hergeholt, weil wir Ihre Hilfe brauchen …« »Sie müssen verrückt sein«, stellte sie fest. »Wie könnte ich Ihnen helfen? Und wenn ich es könnte, wie kommen Sie auf die Idee, dass ich es tun würde, nachdem Sie mich gekidnappt haben?«
Das war bestimmt eine berechtigte Frage. Ich versuchte, ihre Gedanken zu erreichen. Wenn sie unsere Sprache nicht verstand, mochte ihr ein telepathischer Kontakt wenigstens die Gewissheit geben, dass wir ihr nichts Böses tun wollten. Callina erklärte: »Ihr seid
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