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Sharras Exil - 17

Sharras Exil - 17

Titel: Sharras Exil - 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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haben sie ihm nachwachsen lassen, sie sind so gut wie neu. Warum haben sie das mit deiner Hand nicht versucht?«
»Das haben sie«, sagte er, »zweimal.« Seine Stimme war flach und ausdruckslos. »Mehr konnte ich nicht ertragen. Irgendwie ist das Zellmuster … du bist keine MatrixTechnikerin, nicht wahr? Es wäre leichter zu erklären, wenn du etwas von Zellteilung verstündest. Ich frage mich, ob ich es dir deutlich machen kann. Das Zellmuster, das Wissen in den Zellen macht eine Hand zur Hand und nicht zu einem Auge oder einem Zehennagel, einem Flügel oder einem Huf. Es ist zerstört worden und kann sich nicht mehr erneuern. Was am Ende meines Handgelenks wuchs, war …« Er holte tief Atem, und sie sah das Entsetzen in seinen Augen. »Es war keine Hand«, erklärte er tonlos. »Ich bin mir nicht sicher, was es war, und ich will es auch nicht wissen. Einmal haben die Ärzte einen Fehler bei der Betäubung gemacht, und ich wachte auf und sah es. Man sagte mir, ich hätte mir die Kehle wund geschrien. Ich erinnere mich nicht daran. Seitdem ist meine Stimme nie mehr wieder in Ordnung gekommen. Ein halbes Jahr lang konnte ich nur flüstern.« Seine harte Stimme war bar jeden Gefühls. »Jahrelang war ich nicht ich selbst. Jetzt kann ich damit leben, weil… weil ich muss. Ich kann der Tatsache ins Gesicht sehen, dass ich … verkrüppelt bin. Aber was ich nicht ertrage, ist …«, setzte er mit plötzlicher Heftigkeit hinzu, »dass mein Vater es nötig hat, so zu tun, als sei ich … heil!«
Dio fühlte sich von wildem Zorn gepackt, und sie war sich nicht einmal sicher, ob es ihr eigener war oder der des Mannes. Sie war sich ihres eigenen Larans nie so ganz bewusst gewesen, der Ridenow-Gabe, die das Teilen von Emotionen, die volle Empathie sogar mit Nichtmenschen, mit fremdrassigen Lebewesen war … Sie hatte kaum Erfahrung damit. Jetzt erschütterte es sie bis ins Mark. Ihre Stimme schwankte. »Täusche mir nie etwas vor, Lew. Ich kann dich ansehen, wie du bist - ganz so, wie du bist, immer, alles an dir.«
Er fasste sie mit rauem Griff und zog sie an sich. Eine Umarmung war das kaum zu nennen. »Mädchen, weißt du, was du sagst? Du kannst es nicht wissen.«
Ihr war, als löse sie sich auf, als verschmelze sie mit diesem Mann. »Wenn du ertragen kannst, was du hast durchmachen müssen, kann ich es ertragen, davon zu wissen. Lew, lass es mich dir beweisen.«
Tief in ihrem Inneren fragte sie sich: Warum tue ich das? Aber sie wusste, dass gestern Abend, als sie sich auf der Tanzfläche in die Arme genommen hatten, ihre Körper trotz Lews fest geschlossener Abschirmung einen Pakt eingegangen waren. Jetzt konnten sie sich voreinander verbarrikadieren, soviel sie wollten, etwas in ihm und in ihr hatte mit dem anderen einen Kontakt hergestellt und akzeptiert, was dieser war, ganz und für immer.
Sie hob ihm das Gesicht entgegen. In dankbarer Überraschung legte er die Arme um sie und murmelte, sich immer noch zurückhaltend: »Aber du bist so jung, Chiya, du kannst nicht wissen … dafür sollte ich ausgepeitscht werden … aber es ist so lange her, so lange …« Ihr war klar, dass er von dem ganz Offensichtlichen sprach. Seine Abschirmung wich, und ihr eigenes Ich ging unter in der Flut seiner Gedanken … Erinnerungen an Schmerz und Entsetzen, ausgehungerte Sexualität, Qualen, schlimmer, als ein Mensch sie ertragen kann … Da war das peinigende, alles verschlingende Schuldgefühl, der Tod eines geliebten Menschen, die Selbsterkenntnis, die Selbstvorwürfe, die beinahe freudig begrüßte Verstümmelung als Ausgleich dafür, dass er lebte, während
    Marjorie tot war … Mit einer verzweifelten, leidenschaftlichen Umarmung zog Dio ihn an sich. Das war es, wonach er sich am meisten gesehnt hatte: jemand, der all dies wusste und ihn immer noch ohne Vorbehalt akzeptierte, ihn trotzdem liebte. Liebe - war das Liebe, das Bewusstsein, dass sie gern all sein Leiden auf sich nehmen wollte, um ihm jeden weiteren Augenblick voll Qual und Schuldgefühl zu ersparen …?
    Eine Sekunde lang sah sie sich, wie sie von seinem Geist widergespiegelt wurde, und sie erkannte sich kaum - warm, glühend, Frau. In dieser Sekunde liebte sie sich selbst für das, was sie ihm geworden war. Dann zerbrach der Rapport und zog sich wie Meereswogen bei Ebbe zurück. Dio blieben eine tiefe Erschütterung, Tränen und eine Zärtlichkeit, die niemals mehr geringer werden konnte. Erst jetzt senkte Lew sein Gesicht und küsste sie. Sie gab seinen Kuss

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