Sharras Exil
hinter einem Wandschirm herum und suchte ein paar Kleidungsstücke zusammen, die ich an Linnell gesehen hatte. Plötzlich empörte es mich, dass diese Stoffe, diese Stickereien noch heil und ganz waren, Linnells Parfüm in ihren Falten bewahrend, während meine Pflegeschwester kalt in der Kapelle an der Seite ihres toten Liebhabers lag. Beinahe zornig warf ich sie über die Couch.
»Darin kannst du reiten. Zieh sie an.« Ich setzte mich, um zu warten, bis sie fertig war. Ihr wütender Blick erinnerte mich an die terranischen Tabus. Also stand ich auf, und ich wurde tatsächlich rot. Wieso waren die terranischen Frauen außerhalb des Hauses so kess und innerhalb des Hauses so prüde? »Ich vergaß. Ruf mich, wenn du fertig bist.«
Ein eigentümlich erstickter Laut ertönte, und ich drehte mich wieder um. Kathie blickte hilflos auf den Arm voll Kleider und wandte die einzelnen Stücke hierhin und dahin. »Ich habe nicht die blasseste Idee, wie ich in diese Dinge kommen soll.«
»Nach dem, was du gerade von mir gedacht hast«, sagte ich steif, »werde ich dir ganz bestimmt keine Hilfe anbieten.«
Auch sie wurde rot. »Und wie soll ich überhaupt in einem langen Rock reiten?«
»Zandrus Höllen, Mädchen, was willst du denn sonst tragen? Es sind Linnells Reitsachen. Wenn sie darin geritten ist, wirst du es bestimmt auch können.« Linnell hatte sie bei Marius’ Begräbnis angehabt.
»Ich bin noch nie in so etwas geritten, und ganz gewiss werde ich jetzt nicht damit anfangen!«, flammte sie auf. »Wenn du willst, dass ich irgendwohin auf einem Pferd reite, musst du mir anständige Kleider besorgen!«
»Diese Kleider haben meiner Pflegeschwester gehört; sie sind anständig.«
»Verdammt noch mal, dann besorg mir unanständige! «
Ich lachte. Ich konnte nicht anders. »Ich will sehen, was sich machen lässt, Kathie.«
Die Ridenow-Räume waren so früh am Morgen verlassen, abgesehen von einem Diener, der den Steinboden aufwischte. Darüber war ich froh, denn ich hatte keine Lust, Lord Edric zu begegnen. Es schoss mir durch den Kopf, dass Dio und ich ohne Erlaubnis ihres Domänen-Lords geheiratet hatten.
Eine Freipartner-Ehe kann außer durch gegenseitige Übereinkunft nicht mehr gelöst werden, wenn die Frau ein Kind geboren hat .
Aber das war darkovanisches Gesetz. Dio und ich hatten nach dem Gesetz des Imperiums geheiratet … Warum dachte ich jetzt daran, als sei immer noch Zeit, den Riss zwischen uns zu flicken? Wenigstens wollte ich Dio noch ein einziges Mal sehen. Ich fragte den Diener, ob Domna Diotima mich empfangen werde, und kurze Zeit darauf kam Dio in einem langen, wolligen Morgenrock verschlafen in den Hauptraum. Ihr Gesicht erhellte sich, als sie mich sah, aber dafür war keine Zeit. Ich setzte ihr mein Problem auseinander, und den Rest muss sie meinem Gesichtsausdruck und meinem Verhalten entnommen haben.
»Kathie? Ja, ich erinnere mich an sie. Sie war im … im Krankenhaus«, sagte sie. »Ich habe meinen terranischen Reitanzug noch, den ich auf Vainwal getragen habe. Er müsste ihr passen.« Sie kicherte, dann brach sie ab. »Ich weiß, es ist nicht komisch. Ich musste nur gerade denken … lassen wir das. Ich werde mitkommen und ihr helfen.«
»Und ich gehe nach unten und besorge uns Pferde für den Ritt nach Hali«, sagte ich. Schnell stieg ich eine alte und wenig bekannte Treppe hinunter, die in die Wachstube führte. Glücklicherweise war ein Gardist anwesend, der mich als Kadett gekannt hatte.
»Hjalmar, kannst du mir Pferde besorgen? Ich muss nach Hali reiten.«
»Aber sicher, Sir. Wie viele Pferde?«
»Drei«, antwortete ich nach kurzer Pause. »Eins mit einem Damensattel.« Kathie mochte wie Dio reiten, rittlings und in Hosen, einer Freien Amazone gleich, aber Callina würde das gewiss nicht tun. Ich sagte dem Mann, wohin er die Pferde bringen solle, und kehrte zurück. Ich fand Kathie in dem Reitanzug vor, den ich an Dio gesehen hatte.
Damals war ich glücklich. Aber ich wusste es nicht, und jetzt ist es zu spät – für immer.
Irgendein terranischer Poet hat das gesagt – in jeder Sprache sei das traurigste Wort:
zu spät.
Die Tür flog auf, und Regis trat ein. Er fragte: »Wohin willst du? Ich sollte besser mitkommen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Wenn etwas passiert – wenn wir es nicht schaffen –, stellst du die einzige Verteidigung gegen Sharra dar.«
»Genau das ist der Grund, warum ich mitkommen muss«, behauptete Regis. »Lass die Frauen hier
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