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Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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an Arilinn, das mich in der Anwendung dieses Laran unterrichtet hatte. Jetzt würde ich das Böse vernichten, und wenn ich mich gleichzeitig selbst vernichtete.
    Trotzdem hätte ich in diesem Augenblick, da ich den eisigen Wind des hohen Passes atmete, den schneebeladenen Wind, der von den ewigen Gletschern dort oben herabkam, fast vergessen können, dass dies mein letzter Ritt sein mochte.
    Kathie, die neben mir ritt, zitterte, und ich nahm meinen Mantel ab und legte ihn ihr um die Schultern. Sie protestierte: »Du wirst erfrieren!« Aber ich lachte und schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein – du bist an dies Klima nicht gewöhnt, für mich ist das ein Wetter für Hemdsärmel!«, versicherte ich und hüllte sie ein. Sie zog den Mantel um sich, immer noch zitternd. Ich sagte: »Bald haben wir den Pass hinter uns, und an den Ufern von Hali ist es wärmer.«
    Die rote Sonne stand hoch, nahe dem Zenit; der Himmel war klar und wolkenlos, von einem blassen und schönen Mauve – ein vollkommener Tag für einen Ausritt. Ich wünschte, es säße ein Falke auf meinem Sattel, ich käme von Arilinn und jagte Vögel für das Abendessen. Ich sah Callina an, und sie lächelte zu mir zurück, den Gedanken teilend, denn sie machte eine Handbewegung, als schleudere sie einen Verrin -Falken in die Luft. Und Kathie mit ihren glänzenden braunen Locken erinnerte mich an meine Kinderzeit, als Linnell und ich durch die Kilghardberge geritten waren. Einmal hatten wir uns bis nach Edelweiß gewagt, und als wir im Dunkeln nach Hause kamen, von meinem Vater ordentliche Prügel bekommen. Nur war mir jetzt klar, dass wir Kinder von zwölf und neun ein paar halb spielerische Knüffe um die Schultern als Prügel empfunden hatten. Und Vater hatte uns angelacht, weniger zornig als dankbar dafür, dass wir Räubern und Banshee-Vögeln entgangen waren. Nein, ernstlich geschlagen hatte er uns nie. Einmal allerdings hatte ich mein Reitpferd nicht selbst abgerieben und versorgt, sondern es einem halb ausgebildeten Stalljungen überlassen, und da drohte er mir an, wenn ich mein Tier noch einmal vernachlässigte, müsse ich ohne Abendbrot in meinen nassen Reitsachen auf dem Fußboden schlafen – statt ein heißes Bad und ein gutes Bett zu bekommen.
    So hart er gewesen war – und es hatte Zeiten gegeben, wo ich ihn hasste –, es kam mir erst jetzt angesichts meines eigenen Todes voll zum Bewusstsein, wie sehr er uns geliebt hatte, wie alle seine Pläne für uns in Trümmer gefallen waren. Ich wollte sagen: »Linnie, weißt du noch …«, und erinnerte mich, dass Linnell tot und das Mädchen an meiner Seite, das ganz mit Linnells Geste einen Mantel um sich zog, eine Fremde war, eine terranische Fremde.
    Aber ich sah an ihr vorbei zu Callina hin, und unsere Blicke trafen sich. Callina war wirklich, Callina war die alte Zeit in Arilinn, Callina war die Zeit, als ich glücklich gewesen war und im Turm eine Arbeit getan hatte, die ich liebte. Das kupferne Armband an ihrem linken Handgelenk, das Symbol einer Verbindung mit Beltran, war ein Witz, eine Obszönität, hatte überhaupt nichts zu bedeuten. Ich ließ mich in einen Traum von dem Tag gleiten, wenn ich es ihr abreißen und Beltran ins Gesicht werfen würde …
    Callina war Bewahrerin, durfte niemals berührt werden, nicht einmal mit einem begehrlichen Gedanken … aber jetzt ritt sie an meiner Seite und hob mir ihr blasses, lächelndes Gesicht entgegen. Und ich dachte: Sie ist keine Bewahrerin mehr, die Comyn haben sie mit Beltran verheiratet, wie sie über eine Zuchtstute verfügen würden. Kann Callina Beltran überantwortet werden, darf niemand Einspruch erheben, wenn sie sich – nachdem sie Witwe geworden ist, denn solange ich lebte, würde Beltran sie nicht als sein Weib nehmen – mir schenkte.
    Und dann … Armida und die Kilghardberge … und unsere eigene Welt, die auf uns wartete . Sie lächelte mir zu, und es drehte mir das Herz um. Dann zwang ich mich, die Wirklichkeit zu akzeptieren. Der Weg hinaus führte durch Sharra, und es war sehr zweifelhaft, dass ich den nächsten Sonnenaufgang noch erlebte. Wenigstens würde Beltran, der wie ich das Siegel Sharras trug, mit mir in die Dunkelheit gehen! Doch immer noch suchten Callinas Augen die meinen, und entgegen aller Vernunft war ich glücklich.
    Jetzt lagen die bleichen Ufer von Hali unter uns, die langen Reihen der Bäume im Nebel verblassend. Hier, so berichtete die Legende, war der Sohn Aldones’ vom Himmel gefallen und hatte am Ufer des

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