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Sharras Exil

Sharras Exil

Titel: Sharras Exil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nichts«, sagte ich. »Dio, was ist geschehen?«
    »Lerrys ist fort«, hauchte sie. »Er ist zu den Terranern gegangen und mit einem Schiff abgereist … er hat geschworen, niemals zurückzukehren … hat versucht mich zu überreden … mich zu zwingen, mit ihm zu kommen, aber diesmal wollte ich nicht … Er sagt, es bedeute den Tod, hier zu bleiben, bei allem, was den Comyn bevorsteht …«
    »Du hättest mit ihm gehen sollen«, meinte ich missmutig. Ich konnte Dio jetzt nicht schützen, mich nicht um sie kümmern, wenn Sharra los war und Kadarin wie ein wildes Tier umherstrich, Thyra an seiner Seite, entschlossen, mich in denselben Winkel der Hölle zurückzuzerren …
    »Ich werde nicht gehen, wenn andere hier bleiben und kämpfen müssen«, erklärte sie. »Ein solcher Feigling bin ich nicht …« Aber sie weinte. »Wenn Lerrys überzeugt ist, wir seien Teil des Imperiums, hätte er hier bleiben und dafür kämpfen sollen …«
    »Lerrys ist nie ein Kämpfer gewesen«, bemerkte ich. Nun, auch ich war keiner, aber mir blieb keine andere Wahl; mein Leben war bereits verwirkt. Für Dio hatte ich keinen Trost. Leise sagte ich: »Dein Kampf ist es ebenso wenig, Dio. Du bist nicht in diese Sache verwickelt. Du könntest dir anderswo ein neues Leben aufbauen. Noch ist es nicht zu spät.«
    Lerrys war einer der hypersensitiven Ridenows. Die Ridenow-Gabe war in die Comyn hineingezüchtet worden, um die Schrecken zu erspüren, die im Zeitalter des Chaos aus anderen Dimensionen herüberwechselten. Es war eine heute nicht mehr benötigte Gabe, denn die Comyn schweiften nicht mehr durch Zeit und Raum, wie sie es der Legende zufolge in der Hochzeit der Türme getan haben sollten. Bei der Bekämpfung von Waldbränden nimmt man Käfigvögel mit, um rechtzeitig zu erfahren, wann Rauch und giftige Gase zu gefährlich für lebende Wesen werden – denn bevor die Menschen sie wahrnehmen, wird der Vogel sterben. In gleicher Weise war es Aufgabe der Ridenows, die weniger sensitiven Comyn vor der Anwesenheit von Gewalten zu warnen, die kein Mensch ertragen konnte. Es überraschte mich gar nicht, dass Lerrys gerade jetzt von Darkover entflohen war …
    Ich wünschte nur, ich könnte es ebenso machen!
    »Dio, du solltest nicht hier sein, nicht zu dieser Stunde …«
    »Glaubst du, das kümmert mich?« Tränen erstickten ihre Stimme. »Schick mich nicht weg, Lew. Ich … ich verlange gar nichts von dir, aber lass mich heute Nacht bei dir bleiben …«
    Sie legte sich neben mich. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter, und als ich sie küsste, schmeckte ich Salz. Und plötzlich wurde mir klar, dass nicht nur ich mich verändert hatte, sondern Dio auch. Dies Ding im Krankenhaus, das unser Sohn hätte sein sollen, war ihre Tragödie ebenso wie meine, mehr als meine, denn sie hatte es monatelang in ihrem Körper getragen. Ich aber hatte mich völlig in meinen selbstsüchtigen Kummer eingesponnen und für Dio keinen Platz gelassen. Sie war in mein Leben getreten, als ich glaubte, es sei für immer vorbei. Sie hatte mir ein Jahr des Glücks geschenkt, und ich schuldete es ihr, mich an das Glück zu erinnern, nicht an das Ende.
    Ich drückte sie an mich und flüsterte: »Ich wollte, es wäre anders gekommen. Ich wollte, ich hätte … mehr für dich gehabt.«
    Sie küsste meine narbige Wange mit einer Zärtlichkeit, die uns irgendwie enger verband als die wildeste Leidenschaft. »Mach dir keinen Kummer, Lew«, sagte sie leise in die Dunkelheit hinein. »Ich weiß. Schlaf, mein Liebster, du bist verwundet und müde.«
    Nach einem Augenblick merkte ich, dass sie in meinen Armen fest eingeschlafen war. Doch ich lag wach, und meine Augen brannten vor Reue. Ich hatte Marjorie mit der ersten Glut eines unerfahrenen Jungen geliebt, der nichts als Feuer und Begehren ist. Wir hatten nie erfahren, zu was unsere Liebe hätte heranreifen können, denn Marjorie war keine Zeit vergönnt gewesen. Aber Dio war zu mir gekommen, als ich ein Mann war, durch Leid die Fähigkeit, wahrhaft zu lieben, erworben hatte. Und ich hatte das nie verstanden, hatte bei der ersten Schwierigkeit auf sie verzichtet. Das gemeinsame Unglück hätte uns noch enger zusammenbinden sollen, und ich hatte zugelassen, dass es uns trennte.
    Wenn ich nur am Leben bleiben könnte, dann würde ich es irgendwie an Dio gutmachen, wenn ich nur Zeit hätte, ihr zu beweisen, wie sehr ich sie geliebt habe …
    Aber es ist zu spät, ich muss sie gehen lassen, damit sie nicht zu sehr um mich trauert

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