Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Wohnung im Village und Umgebung an. Sämtliche Glieder taten uns weh, und unsere Füße waren voller Blasen. All diese Toiletten, die wir besichtigten, und keine, die wir benutzen konnten. Ich musste den ganzen Tag über aufs Klo. Bestimmt haben wir uns über zwanzig Toiletten angeschaut, aber ich konnte mich nie dazu überwinden, von einer Gebrauch zu machen.
Eine Wohnung werde ich nie vergessen. (Selbst dann nicht, wenn ich die Dimension gewechselt habe. Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und werde ich auch dann noch Single sein? MannoMann). In der Anzeige stand: Jr. Three, East Vllg. 280 East Third, $ 160. Ein totaler Reinfall. Was sie als East Village bezeichneten, würde es nicht einmal im East Village geben. Die Wohnung war mitten in der Lower East Side, was nicht einer gewissen Ironie entbehrte, wenn man darüber nachdachte: Die Mutter und der Vater meines Vater und mein Vater waren von Rumänienhierhergekommen und hatten sich in der Lower East Side niedergelassen. Sie schufteten Tag und Nacht – er war Schneider und hatte sich auf Pelzmäntel spezialisiert. Sobald sie konnten, zogen sie nach Washington Heights, was damals als bessere Gegend galt. Mein Vater wiederum zog mit seiner Familie nach Long Island, als das Geschäft mit den Babymützchen zu boomen begann, und Sheila Levine suchte sich, sobald sie konnte, eine Wohnung im East Village, das heißt in der Lower East Side, wenn ihr ehrlich seid, New Yorker! Für die Levines hatte sich der Kreis wieder geschlossen.
Doch zurück zur Wohnung. Das verdammte Ding bestand eigentlich nur aus Nischen. Ein einziger Raum, nur Nischen: eine Schlafnische, eine Essnische und, ich schwör’s, eine Toilettennische. Wir waren nicht gerade begeistert, aber der Tag war gelaufen, wir waren müde, und einhundertundsechzig Dollar war die Summe, die wir uns vorgestellt hatten. Also nahmen wir sie.
Zugegeben, die Maklerin, eine Miss Melkin, eine etwas ältere Ausgabe von Miss Burke, hat uns gar keine andere Wahl gelassen. Es war einfach nicht zu fassen, wie sie von diesen Nischen schwärmte.
»Ein Hit, Girls. Seid ihr nicht hin und weg? Aus diesen Nischen könnt ihr praktisch alles machen … die Wohnung ist mein absoluter Favorit, und das für schlappe hundertundsechzig Dollar. Ich war sprachlos, als ich den Preis hörte. Ich weiß nicht, was ihr euch schon alles angeschaut habt, aber glaubt mir, ich weiß, wovon ich rede. In dieser Gegend findet man nichts für diesen Preis. Und mit einem Vertrag, der nur über zwei Jahre geht. Ich konnte es nicht glauben. Die meisten Wohnungen haben einen Vertrag über drei oder vier Jahre, ja, selbst Fünfjahresverträge sind mir schon untergekommen, was ich völlig unrealistisch finde, aber die Leute können sich’s ja leisten. Schaut euch die Nische da drüben an, sieht sie nicht putzig aus? Mit Vorhängen lässt sich diese Wohnung vollkommen verwandeln. Wisst ihr, wie wenig Wohnungen eine Küchennische mit Fenster haben? Eine Wohnung wie diese würde ich sofort nehmen, wenn ich nicht schon eine hätte. Hier ist der Vertrag … Ihr Mädels braucht nur noch hier unterschreiben und mir die Miete für den ersten und den letzten Monat geben, plus eine Monatsmiete Kaution, und die Wohnung gehört euch. Ihr könnt, wenn ihr wollt, schon morgen einziehen.«
Schämen Sie sich, Miss Melkin. Sie haben auf unlautere Weise zwei unschuldige junge Mädchen im Besitz eines Scheckbuchs über den Tisch gezogen. Schämen Sie sich, Sie haben Ihre ganze Trickkiste ausgepackt und die beiden gnadenlos vollgetextet. Haben Sie auch nur eine Sekunde lang innegehalten und sich gefragt: »Was habe ich für diese Welt getan?« An jenem Freitagnachmittag haben Sie Ihre Zunge als Waffe gegen zwei naive junge Vorortmädchen eingesetzt. Widerlich, schämen Sie sich, Miss Melkin.
Wir unterschrieben den Mietvertrag, zahlten die Miete und die Kaution und kehrten in unser jeweiliges Zuhause zurück, etwas deprimiert wegen der tausend Nischen. Meine Mama fing mich schon an der Tür ab.
»Und?«
»Wir haben was. Und es ist wirklich toll. Es hat jede Menge hübscher kleiner Nischen, richtig zum Verlieben.«
»Und wegen dieser Nischen willst du ausziehen? Weil wir keine haben?«
»Mom, bitte.«
»Und wo befindet sich dein neues Zuhause?«
»Im Village.«
»Wo im Village? Welche Adresse?«
»Ist doch egal? Du kennst dich doch eh nicht im Village aus.«
»Ich habe eine vage Vorstellung. Dein Vater und ich sind da öfters hingegangen und haben uns die Bohème
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