Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
wie Sandra Dee. Aber gegen einen heißen Flirt mit einem Mann, der einem einen Kuss auf die Hand hauchte, hatten wir nichts einzuwenden.
CHECK-IN FÜR DEN FLUG 204A NACH LONDON
Der Flughafen war voller Menschen. Auf jeden, der abflog, kamen drei, die ihn verabschiedeten. Die Minsks waren gekommen und küssten und umarmten ihre Linda, sagten glücklich und gleichzeitig traurig immer wieder Good-bye. Meine Eltern waren auch da und versicherten mir, dass ichausgeraubt, vergewaltigt und entführt würde, wenn ich ihre Ratschläge missachtete.
»Sheila, denk daran, nimm nur ordentliche Hotels und leg Klopapier auf die Brille.«
»Sheila, versteck dein Geld an einem sicheren Ort. Nimm nicht immer alles mit und lass es nicht im Hotelzimmer herumliegen.«
»Sheila, wenn du in Schwierigkeiten gerätst, geh zur nächsten amerikanischen Botschaft. Sie werden sich um dich kümmern. Du weißt, das ist dein gutes Recht. Als amerikanischer Staatsbürger. Wir zahlen genug Steuern.«
»Was machst du, wenn dein Geld weg ist?«
»Ich geh zu American Express.«
»Was machst du, wenn du aus irgendeinem Grund, mehr Geld brauchst?«
»Ich schick euch ein Telegramm.«
»Was machst du, wenn die Klobrille nicht sauber ist?«
»Ich geh zur amerikanischen Botschaft.«
Als hätten sie das Ganze einstudiert, entfernte sich mein Vater ein paar Schritte, und meine Mutter kam ein paar Schritte näher, um mir zuflüstern zu können:
»Sheila, ich weiß, wir können uns auf dich verlassen, ABER du gehst ins Ausland, und die Männer dort haben es häufig auf hübsche junge Amerikanerinnen abgesehen. Du darfst keinen dieser ausländischen Männer an dich ranlassen, du weißt schon, was ich meine.«
»Mom, ich hab keine Ahnung.« Sie funkelte mich an, und ihre Augen funkelten noch, als ich Amerika hinter mir ließ.
Wir stiegen in den Flieger. Sheila und Linda – zwei gute Freundinnen erobern Europa. Zwei junge Mädchen, die in ihrer gemeinsamen Wohnung in der Thirteenth Street ihren Urlaub Punkt für Punkt geplant hatten, die eine in bügelfreiem Arnel, die andere in superschicken Klamotten.
In unserem gemeinsam in New York verbrachten Jahr hatte Linda ihren eigenen Stil entwickelt, diese Art von Stil, den nur New Yorkerinnen besitzen. Sie konnte Dinge kombinieren, da ein Tuch, dort ein Gürtel und dann noch eine passende Tasche, die sie sich lässig über die Schulter warf, und sie wusste genau, wie man mit Schwarz als Grundfarbe umging. Sie aß praktisch nichts und war dünn wie ein Fotomodell, und sie hatte den richtigen Riecher für Dinge entwickelt – sie besaß savoir faire. Ich hingegen hatte seit »Normans Entjungferung« fünf Pfund zugelegt, und mit Accessoires kannte ich mich überhaupt nicht aus. Das heißt? Linda saß am Fenster und ich in der Mitte. Auf meiner anderen Seite saß ein sehr ruhiger, in seine Lektüre vertiefter Typ in Cordsamthosen und Arbeiterhemd. Er schaffte es – und das war nicht gerade einfach – durch mich hindurch tiefe Blicke mit Linda zu wechseln. Und über meinen Bauch hinweg fingen sie eine Unterhaltung an.
»Ist das dein erster Trip« (Er)
»Ja, ist es, ich bin total aufgeregt.« (Linda)
»Ich auch.« (Ich)
»Es wird dir gefallen. Ich war in den letzten fünf Jahren jedes Jahr dort, und jedes Mal war es besser.« (Er)
»Was, fünf Mal? Ist ja super!« (Linda)
»Echt super!« (Ich)
»Wie heißt du?« (Er)
»Linda. Und du?« (Linda)
»Charles.« (Charles)
»Ich bin Sheila.« (Ich. Sheila)
Ist wohl klar, dass er auf meinen Sitz rutschte, als ich zur Toilette ging. Und dass er sich, als wir gelandet waren, sowohl sein Gepäck wie auch Lindas schnappte, während ich meinen Koffer selbst durch den Zoll und zum Taxi schleppte? Klar schlug er auch eine kleine Pension vor, hübsch, sauber und billig, Frühstück inbegriffen und Zimmer, die nebeneinanderlagen. Klar erkundeten Linda und Charles Tag und Nacht und Arm in Arm die Stadt und ließen ihre London Fogs im Wind flattern. Klar, sah ich den Tower, den Palast, das Parlament, Soho, Piccadilly Circus etc. etc., aber immer auf eigene Faust und in einem überfüllten Touristenbus. Klar, sind auf meinen Dias viele Fremde zu sehen.
Aber ich verliebte mich in London, obwohl ich immer allein unterwegs war. Eines Tages würde ich dort leben, ich fühlte es. Vielleicht könnte ich Frank Holland überreden, dort einen Ableger zu eröffnen. Wenn nicht, könnte ich mich auch nach einem anderen Job umsehen, im Parlament oder was auch immer. Vielleicht
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