Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Schwarze. Eine sehr nette schwarze Familie ist ein paar Häuser weiter eingezogen, und die Frau ist auch bei uns vorbeigekommen.«
Um es gleich zu sagen, ich war immer für die Liberalen. Ich hab mir auf Protestmärschen für unsere schwarzen Mitbürger den Arsch abgefroren. (Ja, ich hab mich dabei umgeschaut, aber ich bin auch marschiert.) Ich hab stundenlang mit meiner Mutter diskutiert, wenn sie nicht wollte, dass ich in Gegenwart unseres Hausmädchens redete. Wenn ich an der Schule, wo ich unterrichtete, Fragebögen ausfüllen musste, in denen nach der Hautfarbe der Kinder gefragt wurde, konnte ich mich nicht mehr erinnern. Und als ich noch im Plattengeschäft war, kam ich mit vielen schwarzen Jugendlichen zusammen und trank Kaffee mit ihnen. Auch auf der Arbeit saß ich oft mit schwarzen Kollegen zusammen und unterhielt mich mit ihnen, ohne dass ich mir was dabei dachte. Also ich bin also total in Ordnung, richtig? Nein, falsch, in dem Augenblick, als dieser Schwarze sich an unsern Tisch setzte, hatte ich ein komisches Gefühl, ich schluckte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen, und schwieg lieber. In den ganzen siebenundzwanzig Jahren meines Lebens war ich nie mit einem Schwarzen auf der Boy-Girl-Ebene zusammengekommen. ICH SAG DAS HIER GANZ OFFEN. Und ihr solltet mir das auch zugutehalten, ihr jungen Demokraten. Aber diese Spannung hielt ich nicht aus.
Ich hör euch schon: Sieh mal einer an, Sheila Levine hält sich für ach so liberal, sie kämpft dafür, dass Schwarze in weiße Viertel ziehen dürfen, aber würde sie auch einen Schwarzen küssen?
Madeline, in deinem kleinen Haus am Franklin Square, was würdest du tun? Ja, ich weiß, du hast dich für Schulbusse für schwarze Kinder eingesetzt, aber was ist mit dem Küssen? Das ist die Frage.
Mom, sprich für deine Generation. Gib’s zu. Für dich ist doch am allerwichtigsten, dass ich einen Mann kriege.Aber! Du denkst doch auch, besser allein bleiben, als sich zu vermischen.
Na gut, Thomas Brown (ich finde es immer etwas peinlich, wenn eine dunkelhäutige Person Brown heißt) setzte sich also neben mich. (Der im Nadelstreifen). Über was sollen wir reden. Angenommen, er kommt aus Harlem. Ich will keine schrecklichen Erinnerungen wachrufen … Wo bist du zur Schule gegangen? … Nein, das kann ich auch nicht fragen. Vielleicht hat er eine gute Schulausbildung, bekam aber wegen seiner Hautfarbe keinen entsprechenden Job. Mir fiel nichts ein. Ich war einfach zu gehemmt. Ja, gehemmt wie der Rest der Welt.
»Bist du zum ersten Mal hier?«
»Ja.« (Und das war’s auch.)
»Was suchst du hier? Was fürs Bett?«
Wäre Thomas Brown weiß gewesen, hätte ich ihm ins Gesicht gelacht. Auf große Gesten wie eine Ohrfeige hätte ich verzichtet, aber ich hätte ihm die Meinung gegeigt. Da er aber schwarz war und ich seine Gefühle nicht verletzen wollte (er hätte ja denken können, ich würde keine Schwarzen mögen), lächelte ich nur. Ist doch schon jedem von uns passiert? Dass wir einem Schwarzen etwas durchgehen lassen, was wir uns von einem Weißen nicht gefallen ließen, und das nur aus Angst, ihn zu verletzen. Großer Gott, wir sind so was von gehemmt und voreingenommen und wissen es nicht einmal.
Martha meinte, wir könnten doch noch bei mir vorbeischauen, da ich am nächsten wohnte, und wieder konnte ich nicht Nein sagen. Ich hätte das Gefühl, der ganzen schwarzen Bevölkerung den Zutritt zu meinem Haus zu verwehren, wenn ich Mr. Brown nicht willkommen hieße. Also sagte ich Ja, obwohl er mir wirklich unsympathisch war. Er flüstert mir so unanständige Dinge wie »ficken« ins Ohr.
Bei mir setzen sich dann Martha Katz und Herman Freemont zusammen auf einen Sessel. Thomas Brown und Sheila Levine nehmen auf der Couch Platz. Ein Gespräch kommt immer noch nicht in Gang. Ich traue mich nicht, ihm irgendwelche Fragen zu stellen. Ich habe tatsächlich Angst, etwas Falsches zu sagen.
Es war das erste Mal, dass ein Schwarzer bei mir zu Gast war. Ein seltsames Gefühl. Ich werde nicht lügen und behaupten, dass dem nicht so war. Immer wieder schoss mir durch den Kopf, dass er schwarz war, dass mein Bettüberwurf ebenfalls schwarz war und interessanterweise auch der Lichtschalter. Schwarz und, um die Wahrheit zu sagen (ich hab auch bislang nicht gelogen), nicht besonders schön.
Er nahm meine Hand, und ich ließ es zu, dass er sie hielt. Eigentlich wollte ich nicht Händchen halten mit ihm, aber es war dasselbe
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