Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
ideal auch für Geschäftszwecke«, oder etwas in der Richtung. Ich fand das unwiderstehlich. Zuerst wollte ich »Fuck off« eingravieren lassen. Ich sah es schon auf meiner Mietrechnung, getraute mich dann aber doch nicht. Jedenfalls, Mom, Dad und alle, die sich um meinen Nachlass kümmern, stempelt »VERSTORBEN« auf meine Bibliothekskarte. Stempelt es auf alle unbezahlten Rechnungen.
Komischerweise hab ich nie daran gedacht – wennman zum Beispiel eine Riesenrechnung von Lord & Taylor bekommt, weil man sich beim Schlussverkauf nicht unter Kontrolle hatte, könnte man diese Rechnung dann nicht einfach mit dem Vermerk zurückschicken, dass der Empfänger verstorben sei. Was würde passieren? Ich nehme an, sie könnten es überprüfen und einen Geldeintreiber schicken, aber der Rechnungsempfänger würde Trauerkleidung tragen und so tun, als sei er ein paar Monate lang, nachdem die Rechnung losgeschickt worden war, in Trauer gewesen. Versuchen könnte man es ja. Lord & Taylor haben oft spektakuläre Schlussverkäufe.
Jedenfalls, Dad, wirst du im obersten Fach meines Schreibtischs diesen Stempel mit VERSTORBEN finden.
»Habt ihr schon gehört? Die Tochter der Levines hat sich umgebracht.«
»Die armen Eltern, wie konnte sie nur.«
»Sie hat die ganze Beerdigung geregelt, den Grabplatz gekauft und den Grabstein und was-weiß-ich.«
»Darauf könnte ich mich bei meinen Kindern nicht verlassen.«
Ich besitze also eine ewige Ruhestätte. Sie zu kriegen war keineswegs einfach. Um die Sache für meine Eltern zu erleichtern, die nach jüdischem Gesetz mindestens einmal im Jahr mein Grab besuchen müssen, beschloss ich, mich auf dem Rossman Memorial Park nach einer letzten Ruhestätte umzuschauen, dort lagen nämlich auch meine Großeltern, mögen sie in Frieden ruhen (es waren zwei väterlicherseits und einer mütterlicherseits). Meine Familie hat ihre eigene Grabstätte auf dem Rossman Friedhof,aber dort finden nur noch meine Mutter, mein Vater, meine Tante und mein Onkel Platz. Die Kinder müssen sehen, wo sie bleiben.
Ich nahm den Bus nach South Orange, New Jersey, und von dort ein Taxi zum Friedhof. Ein ruhiger Tag. Nur wenige herumwandernde Besucher und ein oder zwei Rabbis, die nach Kunden Ausschau hielten. (Sie werden von den Familien dafür bezahlt, dass sie an den Gräbern beten.)
Friedhöfe haben mich schon immer eingeschüchtert. Wenn ich einen betrat, senkte ich den Kopf, da ich mich nicht traute, den Leidtragenden in die Augen zu schauen. Dem ist nicht mehr so. Für mich ist der Friedhof inzwischen mein neues Zuhause. Als würde ich eine neue Wohnung beziehen, in der ich, dem Himmel sei Dank, für immer bleiben konnte.
Ich stattete meinen Großeltern einen Besuch ab und murmelte, dass ich sie beneidete, weil sie Seite an Seite ruhen konnten, und meinte, ich würde bald nachkommen. Dann ging ich zur Friedhofsverwaltung.
»Kann ich Ihnen helfen?« (Eine Dame in Schwarz, mit grauem Haar, das von einer einzigen Spange zusammengehalten wurde, und voller Anteilnahme.)
»Ich suche einen Grabplatz.«
»Möchten Sie sich nicht setzen?«
Sie verschwand in einem Büro und kam mit einem großen, völlig ergrauten Mann zurück, der mich feierlich aufforderte, ihm in sein Büro zu folgen. Was für nette, besorgte Menschen. Vielleicht können sie einen Mann für mich finden, wenn ich sie in mein Vorhaben einweihe.
Er ließ mich auf einem Sessel Platz nehmen, vergewisserte sich, dass ich bequem saß und eine Schachtel Kleenex in Reichweite war. Er setzte sich in einen anderen Sessel, aber nicht hinter seinen Schreibtisch, sondern daneben, um einen besseren Blickkontakt zu haben.
»Mrs. Goldman meinte, Sie würden nach einer Grabstätte schauen. Was wissen Sie über den Rossman Memorial Park?«
»Meine Großeltern sind hier begraben.«
»Wie schön.«
»Gibt es denn noch Grabplätze?«
»Ja, gibt es. Sogar sehr schöne. Manche sogar mit Aussicht.« (Aussicht?)
»Ich möchte etwas Schlichtes.«
»Darf ich fragen, für wen es ist?«
»Für mich. Ich habe diese tödliche Krankheit. Nicht weiter schlimm, ich meine, sie ist nicht ansteckend oder so, aber ich muss Vorsorge treffen.«
Er stand auf und kam mit einem Ordner zurück. Er öffnete ihn und blätterte darin herum. Einmal blickte er hoch, und ich lächelte ihn an. Er lächelte nicht zurück. Wahrscheinlich sind Leute wie er angehalten, nicht zu lächeln. Schließlich blieb sein Blick auf einer Seite hängen.
(Er zeigte mir den Plan.) »Hier sind wir.
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