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Shelter Bay - 02 - Furienlied

Shelter Bay - 02 - Furienlied

Titel: Shelter Bay - 02 - Furienlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Papademetriou
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durch die geöffnete Tür entwichen und das Badezimmer kühlte bereits merklich ab.
    Langsam schloss Will die Tür. Sein Körper fühlte sich plötzlich an, als wäre er mit Blei gefüllt, und er ließ sich auf den Rand der Badewanne sinken. RACHE.
    Sein Geist konnte die Bedeutung des Wortes nicht erfassen, er konnte nicht einmal eingestehen, dass es überhaupt existierte. Du hast es dir nur eingebildet, flüsterte sein Gehirn.
    Doch sein Herz raste und Angst breitete sich in seinen Venen aus wie Gift. Aus Erfahrung wusste er, dass er nicht daran glauben musste, damit es real wurde.
    Einige Stunden später saß Will am Gemüsestand der Farm und sah auf den Haufen von Butternutkürbissen vor sich, die sich auf den großen Holztisch fläzten wie faule Seelöwen. Ein paar Hokkaidokürbisse waren am Rand des Tisches aufgereiht, daneben einige frühe gelb-grün gestreifte Delicatakürbisse. Dunkelgrüner Palmkohl lagerte neben verführerisch leuchtender Roter Bete.
    Will hatte schon immer am liebsten im Spätsommer am Gemüsestand gearbeitet. Genau wie Tim. Beide hatten die Suppen und Eintöpfe geliebt, die ihre Mutter aus dem reichhaltigen Angebot an Winterkürbissen zauberte. Die Luft war süßlich und kühl und die Kundschaft wechselte von durchgeknallten, dauersimsenden Manhattaner Touristen zu Nachbarn und örtlichen Restaurantbetreibern.
    Jahr für Jahr hatte Tim begierig auf die ersten Hokkaidokürbisse gewartet. Er war berühmt für seinen Kürbiskuchen gewesen, der gleichermaßen würzig und süß war. Ihre Großmutter hatte sich geweigert, ihrer Schwiegertochter Evelyn das Rezept zu geben, und ihr Geheimnis stattdessen mit Tim geteilt, der sich dem Kuchenbacken mit der angemessenen Ernsthaftigkeit gewidmet hatte. Will berührte das feste orangefarbene Fleisch eines der Kürbisse, wobei er sich wünschte, er hätte das Rezept für diesen Kuchen. Doch die einzigen beiden Menschen, die es gekannt hatten, waren inzwischen tot.
    Ein leichter Wind kam auf und Will hörte ein Geräusch, das wie das Lachen seines Bruders klang. Er sah auf. Das Windspiel an der Scheune gab ein leises Klingen von sich. Darüber wurde der Himmel langsam grau.
    »Will!«
    Will blinzelte und schluckte kräftig, um den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Es gelang ihm sogar, Zoe entgegenzulächeln, als sie die Einfahrt entlang auf ihn zukam. Ihr goldenes Haar umspielte ihr Gesicht und sie trug Jeans und ein ausgeblichenes rotes T-Shirt. Ein weiteres Anzeichen für den bevorstehenden Herbst – Zoes lange Beine waren bedeckt. Wie üblich schwang sie sich auf die Kante des schweren hölzernen Kassentisches.
    »Was ist los?«
    Zoe legte den Kopf schief. »Was? Nichts – warum?«
    Will zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Alles okay?«
    Zoe schüttelte den Kopf. Sie blickte zur Straße, wo sich ein halb verrosteter Ford auf den Gemüsestand zubewegte. »Da kommt Angus«, sagte sie, mehr zu sich selbst.
    Etwas lag in ihrem Tonfall, das Will nicht einordnen konnte. Dabei half es nicht gerade, dass er seit dem vorherigen Sommer auf einem Ohr taub war, was bedeutete, dass er vieles wie durch eine dicke Watteschicht hörte.
    Angus hielt an, stieg aus und schloss sorgfältig ab, bevor er zum Stand herüberschlenderte.
    »Seid gegrüßt, Freunde! Und alle anderen«, grinste er und strich sich die dichten Locken aus der Stirn. »Und, hat Zoe dir schon von ihrem gestrigen Akt der Menschenliebe erzählt?«
    Will sah zu Zoe, die Angus einen eindrucksvollen finsteren Blick zuwarf.
    »Oooh … Da habe ich mich wohl gerade verplappert«, bemerkte Angus.
    »Was? Worum geht es hier gerade?«, wollte Will wissen.
    Zoe zuckte mit den Schultern. »Ich hab Kirk einen Job im Bella’s besorgt. Keine große Sache.«
    Will seufzte und ließ sich auf der Tischkante nieder. »Kirk Worstler?«
    Zoe kam herüber und tippte ihm leicht auf die Schulter. »Was ist so schlimm daran? Ich weiß, du magst ihn nicht, aber so verrückt ist er gar nicht.«
    Will blickte ihr ins Gesicht – in diese chamäleonartigen grünblauen Augen. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass Kirk verrückt war, die Will Bauchschmerzen bereitete. Es war vielmehr, dass verrückte Dinge passierten, wenn Kirk in der Nähe war. In der Beziehung war Kirk ein bisschen wie der Kanarienvogel in einem Bergwerksstollen. Aber darauf wollte er jetzt nicht weiter eingehen. »Okay«, sagte er deshalb. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, dass Kirks Gegenwart ein schlechtes Omen war. Einige Wochen zuvor, als

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