Shelter Bay - 02 - Furienlied
entspannte. Sie war dankbar für seine Anwesenheit. Sie und Will hatten die vergangenen fünf Minuten in gespanntem Schweigen verbracht, was sie zusehends zermürbt hatte.
»Also – du wolltest uns etwas erzählen?«, hakte Zoe nach.
»Was?« Angus sah vollkommen perplex aus.
Will lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Du hast gesagt, wir würden etwas nicht glauben.«
»Ach ja!« Angus hob die Hände mit den Handflächen nach außen, als wolle er mit seinen Neuigkeiten auch gleich den Verkehr anhalten. Er drehte sich zu Zoe um. »Der Typ, der uns überfallen hat, hat sich umgebracht.«
Will gab ein ersticktes »Was?« von sich und die Pizza, die Zoe gerade gegessen hatte, drohte, sich wieder nach oben zu arbeiten. Für einen Moment fühlte sie sich, als habe sie ihren Körper verlassen – als sehe sie von oben zu, wie sie die Neuigkeiten hörte. Sie hatte kein Gefühl mehr in ihren Händen, ihren Füßen. Ihr Körper war ein fremdes, unwirkliches Ding.
Und dann sagte Angus: »Abgefahren, was?«, als verbreite er irgendwelchen Promiklatsch, und Zoe fiel zurück auf die Erde, sie krachte in ihren Körper wie ein Meteor. Sie krümmte sich, als ihr Körper in sich zusammenfiel wie ein Dach unter einer zu hohen Schneelast.
»Mein Gott, Angus, du kannst einem so was doch nicht einfach vor die Füße knallen.« Will beobachtete Zoe mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht.
»Sorry – tut mir leid.« Angus berührte Zoes Arm. »Hey, tut mir leid.« Er beugte sich vor, um ihr ins Gesicht zu sehen. »Ich wusste nicht, dass dich das so mitnehmen würde.«
»Das würde jeden mitnehmen, der ein Herz hat, Angus«, sagte Will scharf.
Zoe zwang sich, tief einzuatmen. Und noch mal. Es dauerte eine Weile, bis sie das Gefühl hatte, sprechen zu können. »Was – was ist passiert?«
Angus zögerte kurz. Er blickte zu Will, der unmerklich den Kopf schüttelte. Aber die Frage stand im Raum. »Er hat sich erhängt«, antwortete Angus leise. »In seiner Zelle. Mit einem Bettlaken.«
Zoe versuchte, diese Information zu verdauen. Sie wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund sah sie zu Kirk hinüber, der sie eindringlich beobachtete. Etwas an seinem Gesichtsausdruck ließ sie sich fragen, ob er wusste, worüber sie sich gerade unterhielten.
»Ich fühl mich nicht gut«, sagte Zoe.
»Ich hol dir ein Glas Wasser.« Will stand auf und lief zur Getränketheke, um einen Plastikbecher zu besorgen.
»Tut mir leid, Zoe«, wiederholte Angus. Die Sommersprossen auf seiner Nase waren verblasst, aber immer noch sichtbar, und sein breites Gesicht und seine großen Augen wirkten so kindlich, dass sie ihm einfach verzeihen musste. »Pass auf …« Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum, dann sah er sie mit einem ausdruckslosen Gesicht an. »Ich habe noch einen weiteren Anschlag auf dich vor, also sei bitte gewarnt.«
Sie schloss für einen Moment die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren, während sich ihr Herz überschlug. »Okay«, sagte sie langsam.
Angus räusperte sich. Er holte tief Luft, wie jemand, der sich seinem Schicksal ergibt, und schob die Hand in seine Tasche. »Die Sache, um die du mich gebeten hast.« Er zog einen Zettel hervor, der zweimal unordentlich gefaltet worden war, und legte ihn vor ihr auf den Tisch. »Komische Geschichte, eigentlich.«
Für einen Moment blickten sie beide regungslos auf das Papier.
Zoe strich mit dem Finger über ein Eselsohr, dann entfaltete sie den Zettel sorgsam. Angus hatte den Artikel kopiert. Er saß schief auf dem Blatt und aus irgendeinem Grund störte sie das.
Frau nach Wohnungsbrand vermisst
Brooklyn, MA: Ein Brand in 657 Attinson Street, gleich über dem Juliet Theater, hat allem Anschein nach ein Todesopfer gefordert. Saskia Robicheck, Alter unbekannt, gilt immer noch als vermisst und wurde für vermutlich tot erklärt. Die Ermittler haben bisher keinerlei menschliche Überreste gefunden, auch die Brandursache ist weiterhin unklar. »Die meisten Brände dieser Art werden durch einen elektrischen Defekt ausgelöst«, erklärte Lawrence Sawyer, Chef der örtlichen Feuerwehr, heute Morgen. »Ich möchte allen dringend ans Herz legen, ihre Anschlüsse gründlich zu überprüfen – besonders all denen, die in einem der älteren Häuser hier in der Gegend wohnen.«
Rätselhaft an dieser Tragödie ist der Fund eines kleinen Babys am Brandort. Das Baby wurde umgehend ins Mercy General Hospital gebracht, doch die Ärzte berichteten, dass das Kind bei guter
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