Sheriff Tod
gebunden, der sich im Wind drehte. Ihm wurde übel.
Er hatte Mühe, sich nicht übergeben zu müssen, und er hörte Geräusche, wie seine Freundin von ihm auf den Knien wegrutschte.
Marcus wußte nicht, was Tina alles gesehen hatte.
Er hoffte nur, daß es nicht zuviel gewesen war, aber sie hatte etwas mitbekommen, und es war ihr brutal auf den Magen geschlagen, wie für ihn anhand der Würgegeräusche zu hören gewesen war.
Er hatte die Fratze des Todes in all ihrer Scheußlichkeit sehen können, und damit kam er nicht zurecht.
Was war hier geschehen? Warum hatte man die Menschen einfach umgebracht? Was hatten sie dem unheimlichen Sheriff denn getan? Und warum lebten Tina und er noch? Würde der Killer irgendwann zurückkehren und sie beide töten?
Es war damit zu rechnen. Eigentlich müßte ich durchdrehen, dachte Marcus, und er wunderte sich darüber, daß er es nicht tat. Statt dessen hockte er inmitten des Leichengeruchs und grübelte über das Motiv nach. Da gab es jemand, der Menschen einfach umbrachte, der Leichen sammelte!
Mein Gott!
Und bald würden auch Tina und er in diesen makabren Kreis eingereiht.
Das Herz schlug wie irre. Marcus schwitzte und fror zugleich. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, was hier ablief und noch ablaufen würde.
Es war alles so unbegreiflich. So etwas hatte er nicht einmal gelesen oder in einem Film gesehen. Aus diesen schrecklichen Streifen konnte man noch hinausgehen, hier allerdings gab es keine Flucht. Hier waren sie Gefangene, denn eine Tür oder einen Ausgang hatten sie noch nicht entdeckt.
Tina würgte noch immer. Dabei weinte sie auch, und Marcus riskierte es wieder, die Flamme des Feuerzeugs zucken zu lassen. Auch ihm war übel, und auf dem Weg zu seiner Freundin konnte er dieses Gefühl nicht mehr länger unterdrücken.
Irgendwann fanden die beiden wieder zusammen. Sie hatten sich wieder hingekniet, klammerten sich aneinander, zitterten beide, aber sie waren stumm. Das blanke Entsetzen hatte sie sprachlos gemacht.
Welch ein Grauen…
Marcus merkte, daß Tina etwas sagen wollte. Sofort flüsterte er an ihrem Ohr: »Bitte nicht, Tina, bitte nicht. Du darfst nicht reden. Es ist alles anders, denke nicht daran. Wir… wir… leben, wir gehören nicht zu den anderen.«
Sie nickte nur. Marcus wußte, daß er stark sein mußte. So sah ja immer die Rolle des Mannes aus, aber es stimmte nicht. Es war überholt. Der Mann war nicht stärker als die Frau, und Marcus fühlte sich ebenso mies und am Boden wie auch Tina.
Er wußte, daß er hier raus mußte. Ja, er mußte weg, er und Tina sollten verschwinden, aber er wußte auch, daß ihm die Zeit dafür wohl nicht mehr bleiben würde. Aus eigener Kraft war es nicht zu schaffen. Auch wunderte er sich darüber, daß sie beide trotz allem diesen schrecklichen Anblick noch so gut verkraftet hatten. Sie hätten durchdrehen müssen, schreiend weglaufen, ihr Geist hätte verwirrt werden müssen, das alles wäre normal gewesen.
Es war nicht eingetreten, doch er wußte, daß sie der Schock irgendwann einholen würde.
Doch gab es ein Irgendwann…?
Die Zeit floß dahin. Keiner von ihnen hatte die Kraft, auf die Uhr zu schauen, aber sie merkten auch, daß die kniende Haltung nicht eben die beste war, und irgendwann, als der Druck gegen ihre Knie zu groß wurde, stemmten sie sich gegenseitig ab, um auf die Beine zu kommen.
Sie standen, stützten sich wieder ab, rangen nach Worten, und Tina hatte ihren Kopf gegen Marcus’ Schulter gelegt, obwohl er den gleichen Trost gebraucht hätte.
»Kannst du reden?« hauchte er. Tina nickte.
»Wir müssen hier weg – egal wie. Ich und du, wir müssen uns zusammenreißen, auch wenn das kaum geht. Jemand hat uns hier in dieses Grab hineingeworfen. Es gibt einen Eingang, und der Eingang ist auch gleichzeitig der Ausgang. Hast du gehört?«
»Ja…«, drang es schwach aus ihrem Mund.
»Kannst du gehen?«
»Mit dir ja.«
»Ich werde noch einmal leuchten, Tina. Dieses Gefängnis, wo immer es auch liegen mag, muß eine Tür haben.«
»Und wenn sie verschlossen ist?«
»Dann wissen wir zumindest, daß der unheimliche Mann durch diesen Eingang kommen wird.«
»Was willst du dann tun?«
»Wir müssen versuchen, ihn niederzuschlagen, wenn er tatsächlich kommt. Wir müssen ihn einfach überraschen.«
»Womit willst du schlagen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht finden wir was.«
Tina fing wieder an, stärker zu zittern. »Ich… ich… will keine Leichen mehr sehen.«
»Schon
Weitere Kostenlose Bücher