Sherlock Holmes Bisher unbekannte Fälle Sammelband 1
Vorteile verschaffte.
„Das ist Tom“, stellte er mir den jungen Mann vor. Dann begann er sehr eindringlich zu dem Burschen zu sprechen.
„Hör mir gut zu, Tom! Mein Leben wird bedroht. Ich habe Morddrohungen erhalten und bin gestern nur mit knapper Not einem Anschlag auf mein Leben entkommen. Einen anderen Menschen hat das aber bedauerlicherweise das Leben gekostet. Nicht wahr, Watson?“
Er schaute zu mir und ich nickte bekräftigend. Tom heftete seine aufgerissenen Augen einen Moment auf mich, dann sah er wieder gebannt zu Holmes, der weitersprach.
„Ich glaube, es ist ein Mann hinter mir her, der mich töten will, aber ich bin mir noch nicht völlig sicher, möglich wäre auch eine Frau. Ich möchte, dass du die anderen informierst, so viele, wie du erreichen kannst. Ihr werdet dieses Haus rund um die Uhr beschatten, und wenn ich es verlasse, werdet ihr mir unauffällig und unsichtbar folgen. Bemerkt ihr etwas Ungewöhnliches, eine Gefahr für mich, dann schlagt Alarm, verstanden? Aber seid immer auf der Hut und passt gut auf, nicht nur auf mich, sondern auch auf euch selbst. Schärfe das auch den anderen ein. Mein unbekannter Gegner nimmt keine Rücksicht und geht über Leichen, ist das klar?“
„Völlig klar, Mister Holmes!“
„Dann ab mit dir!“
Der nächste Tag wollte partout nicht beginnen, auch lange nach unserem Aufstehen wurde es nicht hell. Dicke schwere Regentropfen fielen herab und die Dunkelheit der Nacht war nur zögernd einem nicht endenden Dämmern gewichen. Die Zeit schien sich verlangsamt zu haben und mein innerer Rhythmus hatte sich anscheinend dem verlangsamten Ablauf angepasst. Hinzu kam, ich fühlte mich müde und schlapp, mein üblicher Frühstückshunger stellte sich an diesem Morgen nicht ein. Holmes wirkte frisch wie immer, er bedrängte mich, etwas zu essen, da wir anschließend zur Polizei fahren wollten, wie er meinte.
Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er gesagt hatte, dann fragte ich erstaunt: „Wir wollen zur Polizei fahren? Soweit ich weiß, sollen Sie, Holmes, dort erscheinen und Ihre Aussage zu Protokoll geben, ich habe keine Aussage zu tätigen.“
„Das weiß ich doch, Watson. Wollen Sie mich nicht begleiten, als alter Freund und Aufpasser sozusagen, wo doch mein Leben in Gefahr ist?“
Er schmeichelte mir und machte mich gleichzeitig verlegen. Ich trank einen Schluck Kaffee, die gute Mrs. Hudson hatte natürlich wie immer bestens für uns gesorgt, und fühlte, wie die Lebensgeister in mir erstarkten. „Aber natürlich begleite ich Sie. Wozu sind Freunde da? Ich werde auf Sie aufpassen, damit Ihnen nichts geschieht. Ich trinke aus und nehme mir ein Sandwich mit, warten Sie, Holmes, ich hole nur meinen Revolver, dann können wir los.“
„Ich glaube, den brauchen wir diesmal nicht, Watson. Wir fahren zur Polizei, da wäre es unangebracht, bewaffnet zu erscheinen, finden Sie nicht?“
„Hm“, brummte ich. Ich teilte seine Ansicht nicht, aber ich fügte mich, nicht ahnend, welch schweren Fehler ich damit beging.
Als wir das Haus verließen und auf die dunstige, regenverhangene Straße traten, winkte Holmes einer Droschke, die in der Nähe stand und auf Kundschaft zu warten schien. Sie kam herbei und wir stiegen ein, nicht ohne vorher dem Kutscher unser Ziel genannt zu haben. Der Mann, in ein Regencape gehüllt, aus dem nur die Augen herausschauten, die seltsam aufblitzten, hielt uns die Tür auf und schloss sie hinter uns wortlos, dann trieb er peitscheschwingend den Gaul an.
Wir fuhren eine Weile, durch das kleine beschlagene Fenster der Tür ließ sich nicht erkennen, wo wir uns gerade befanden, doch Holmes schien mit einem Mal beunruhigt.
„Watson, wir fahren bei diesem Tempo schon viel zu lange! Warum rast der Kutscher so, haben wir gesagt, er soll eilen? Nein! Außerdem dünkt mich, wir fahren in die falsche Richtung und verlassen London.“
Er wischte über das Fensterglas und versuchte, etwas von der Welt draußen zu erkennen.
„Was? Wie meinen? Also ich kann nicht erkennen, ob wir richtig fahren oder nicht.“
Aber Holmes war sich jetzt sicher. Er rief lautstark: „Kutscher! Sofort anhalten!“
Es geschah nichts, nun wurde auch ich unruhig. Hier stimmte etwas nicht!
Holmes wollte die Tür öffnen, doch sie war verschlossen, so sehr er auch am Knauf drehte und rüttelte.
„Was sollen wir tun?“, rief ich und die eiskalte Hand der Angst tastete nach meinem Herzen. Ich griff auch nach dem Türöffner, natürlich
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