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Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht

Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht

Titel: Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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überkam ihn ein fürchterlicher Jähzorn, der allen, die mit ihm zu tun hatten, Respekt und selbst Furcht einflößte. Für Recht und Ordnung und alles, was damit zusammenhing, hatte er nur erbitterte Verachtung übrig, was manche gut fanden und manche Mitbewohner erschreckte.
    Gleich von Anfang an machte er es durch seine offene Bewunderung klar, daß die Tochter des Hauses vom ersten Augenblick an, da er sie in ihrer Schönheit und Anmut sah, sein Herz gewonnen hatte. Er war kein schüchterner Freier, der sich im Hintergrund hielt. Am zweiten Tag gestand er ihr, daß er sie liebte, und von da an wiederholte er in völliger Unbekümmertheit seine Liebeserklärung, ohne sich im
    geringsten entmutigen zu lassen, mochte sie auch noch so abweisend sein.
    »Ist da ein anderer?« konnte er rufen. »Na, wer immer das ist, der hat Pech gehabt! Der soll sich bloß vorsehen! Soll ich mein Lebensglück etwa an jemand anderen verlieren? Ettie, Sie dürfen nein sagen, soviel Sie wollen. Der Tag kommt schon noch, wo Sie ja sagen, und ich bin jung genug, um zu warten.«
    Mit seiner glatten irischen Zunge und seiner gefälligen, schmeichelnden Art war er ein gefährlicher Bewerber. Außerdem umgaben ihn der Schimmer des Abenteuerlichen und ein dunkles Geheimnis, das
    erst das Interesse einer Frau weckt und dann bald ihre Liebe. Er konnte von den lieblichen Tälern der Grafschaft Monaghan reden, woher er kam, von der fernen Insel, die um so schöner wirkte, wenn man sie sich in dieser düsteren Umgebung von Schmutz und Schnee vorstellte.
    Ferner kannte er das Leben in den Städten des Nordens, er kannte Detroit und die Holzfällerlager von Michigan und schließlich Chicago, wo er in einem Sägewerk gearbeitet hatte. Und dann kam die
    Andeutung einer Liebesgeschichte. Man hatte das Gefühl, daß er in jener großen Stadt merkwürdige
    Dinge erlebt hatte, so seltsam und intim, daß er nicht darüber sprechen mochte. Er sprach
    andeutungsweise von plötzlicher Abreise, dem Abbrechen alter Verbindungen und von Flucht in eine
    fremde Welt, die in diesem trübsinnigen Tal endete. Und Ettie hörte zu, ihre dunklen Augen leuchteten in Sympathie und Mitleid - beides Gefühle, die sich schnell in Liebe verwandeln können.
    McMurdo hatte vorübergehend Arbeit als Buchhalter gefunden, denn er war ein recht gebildeter Mann.
    Dadurch war er den größten Teil des Tages außer Hause, und so hatte er bisher noch keine Gelegenheit gefunden, das Oberhaupt der Loge aufzusuchen. An dieses Versäumnis wurde er jedoch erinnert, als ihn eines Abends Mike Scanlan besuchte, der Mitbruder, den er in der Eisenbahn getroffen hatte. Scanlan, der kleine, schwarzäugige, nervöse Mann mit dem spitzen Gesicht schien froh zu sein, ihn wiederzusehen.
    Nach einem oder zwei Gläsern Whisky breitete er den Grund seines Besuches vor ihm aus.
    »Hör mal, McMurdo«, sagte er, »da ich mich an deine Adresse erinnerte, war ich so frei,
    hereinzuschauen. Ich bin nämlich überrascht, daß du dich bei dem Meister vom Stuhl noch nicht gemeldet hast. Warum warst du noch nicht bei Boß McGinty?«
    »Nun, ich mußte erst mal Arbeit finden. Ich hatte ziemlich viel
    zu tun.«
    »Für ihn müßtest du Zeit haben, und wenn du sonst noch so wenig Zeit hast. Guter Gott, Mann! Du bist schön dumm gewesen, daß du nicht gleich am ersten Tag nach deiner Ankunft ins Logenhaus gegangen
    bist und dich dort hast einschreiben lassen! Wenn du ihn verärgerst — nun, das solltest du vermeiden.
    Mehr will ich dazu nicht sagen!«
    McMurdo zeigte sich ein wenig überrascht. »Ich bin schon über zwei Jahre Mitglied der Loge, aber daß Logenpflichten so eilig wären, davon habe ich noch nichts gehört.«
    »Vielleicht nicht in Chicago.«
    »Nun, es ist doch die gleiche Bruderschaft hier.«
    »Wirklich?«
    Scanlan sah ihn lange und fest an. Es war etwas Unheilvolles in seinem Blick.
    »Oder etwa nicht?«
    »In einem Monat reden wir weiter darüber. Ich habe gehört, du hattest im Zug, nachdem ich ausgestiegen war, einen Wortwechsel mit den Polizisten.«
    »Woher weißt du das?«
    »Oh, so was spricht sich 'rum — hier spricht sich alles 'rum, ob es dir nun schadet oder nützt.«
    »Nun ja, ich habe den Hunden gesagt, was ich von ihnen halte.«
    »Bei Gott, du bist ein Mann nach McGintys Herzen!«
    »Wieso, mag er die Polizei auch nicht?«
    Scanlan brach in lautes Lachen aus. »Geh und besuch ihn, mein Junge«, sagte er, als er aufstand, um zu gehen. »Nicht die Polizei, sondern dich wird er nicht

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