Sherlock Holmes - Das Tal der Furcht
dem Gesicht, und ein halbes Dutzend Knüppel
schlugen auf ihn ein. Er wand sich, und seine langen, dünnen Glieder zuckten unter den Schlägen. Die anderen hörten schließlich auf, aber Baldwin, mit einem teuflischen Grinsen auf dem grausamen Gesicht, hieb weiter auf den Kopf des Mannes ein, den dieser vergebens mit seinen Armen zu schützen versuchte.
Sein weißes Haar war mit Blut befleckt. Baldwin war immer noch über sein Opfer gebeugt und versetzte ihm kurze, bösartige Schläge, wann immer er eine schutzlose Stelle sah, als McMurdo die Treppe
hinaufstürmte und ihn zurückstieß.
»Du bringst den Mann um!« schrie er. »Hör auf!« Baldwin sah in verblüfft an. »Verflucht noch mal!«
schrie er. »Wie kommst du eigentlich dazu, dich hier einzumischen, ausgerechnet du, ein Neuer in der Loge? Zurück, Mann!«
Er erhob den Knüppel. Aber McMurdo hatte seine Pistole aus der Hüfttasche gezogen.
»Selber zurück!« rief er. »Ich schieße dich über den Haufen, falls du es wagen solltest, mich anzurühren.
Und was die Loge anbelangt, so lautete der Befehl des Meisters ausdrücklich, den Mann nicht
umzubringen — und was tust du anderes, als ihn totzuschlagen?«
»Das ist wahr, was er sagt«, bemerkte einer der Männer.
»Zum Donnerwetter, beeilt euch lieber ein bißchen!« rief der Mann von unten. »Die Fenster werden
überall hell, und in ein paar Minuten habt ihr die ganze Stadt hier.«
Tatsächlich hörte man schon Rufe auf der Straße, und eine kleine Gruppe von Setzern, Druckern und ändern Zeitungsleuten formierte sich unten in der Diele und versuchte Mut zum Handeln zu fassen. Die Verbrecher ließen den schlaffen, regungslosen Körper des Redakteurs auf dem Treppenabsatz liegen, eilten die Treppe hinunter und machten sich eilig davon. Als sie das Vereinshaus erreicht hatten, mischten sich einige von ihnen unter die Menge in McGintys Bar und flüsterten dem Boß über die Theke zu, daß der Job zufriedenstellend ausgeführt sei. Die anderen, darunter auch McMurdo, verteilten sich auf die Seitenstraßen und gelangten auf verschiedenen Umwegen nach Hause.
4. KAPITEL
Das Tal der Furcht
Als McMurdo am nächsten Morgen erwachte, hatte er guten Grund, sich an seine Einführung in die Loge zu erinnern. Sein Kopf tat weh, was dem Trinken zuzuschreiben war, und sein gebrandmarkter Arm war rot und geschwollen. Da er seine eigene besondere Einnahmequelle hatte, nahm er es mit dem
pünktlichen Erscheinen auf seiner Arbeitsstelle nicht gar so genau. Er frühstückte spät und blieb den Morgen zu Hause, um einem Freund einen langen Brief zu schreiben. Danach las er den >Daily Herald<.
In einem besonderen Artikel, der erst in letzter Minute eingefügt worden war, las er:
»Überfall auf das Redaktionsbüro des >Herald<
Redakteur schwer verletzt«
Es war eine kurze Zusammenfassung der Tatsachen, die er besser kannte, als der Schreiber sie kennen konnte. Sie endete mit der Feststellung: »Die Sache ist nun in den Händen der Polizei, aber wir haben kaum Hoffnung, daß ihre Bemühungen zu besseren Ergebnissen führen werden als in der Vergangenheit.
Einige der Männer wurden erkannt, und man kann hoffen, daß sie verhaftet und verurteilt werden. Der Ursprung dieses Überfalls muß, wie wohl kaum gesagt zu werden braucht, in der berüchtigten
Gesellschaft gesucht werden, die unsere Gemeinde schon lange Zeit tyrannisiert und gegen die der
>Herald< immer unmißverständlich Stellung bezogen hat. Mr. Stangers viele Freunde werden sich freuen zu erfahren, daß keine unmittelbare Lebensgefahr besteht, obgleich er grausam und brutal
zusammengeschlagen worden ist und schwere Kopfverletzungen davongetragen hat.«
Darunter stand noch, daß mit Winchester-Gewehren bewaffnete Polizei zum Schutz der Redaktion
angefordert worden sei.
McMurdo hatte die Zeitung hingelegt und zündete sich mit einer Hand, die von den Ausschweifungen des gestrigen Abends noch zittrig war, seine Pfeife an, als es draußen klopfte und seine Wirtin ihm einen Brief gab, der gerade von einem Jungen gebracht worden war. Der Brief war nicht unterschrieben und lautete folgendermaßen:
»Ich wünsche mit Ihnen zu sprechen, möchte das jedoch lieber nicht bei Ihnen zu Hause tun. Sie finden mich neben der Fahnenstange auf dem Miller Hill. Wenn Sie jetzt dorthin kommen, habe ich Ihnen etwas zu sagen, was für Sie und für mich sehr wichtig ist.«
McMurdo war so überrascht, daß er die Nachricht zweimal las, denn er konnte sich nicht denken,
Weitere Kostenlose Bücher