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Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel

Titel: Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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diesem Fall doch gerade noch so, das richtige Theater zu finden. Darüber hinaus schwärmt meine Frau seit Montag von nichts anderem.“ Der Inspektor hüstelte arg gekünstelt. „Ich dachte mir, dass diese Sache hier vielleicht interessanter sein könnte als ein deutscher Dichter.“ Holmes erhob sich und klopfte sich den Schnee von Hose und Mantelsaum. Die erwartete Verteidigung des von ihm geschätzten Goethe erfolgte lediglich indirekt: „Außerdem haben Sie keinen Schimmer, was hier wirklich passiert ist, oder, Lestrade?“ Der Inspektor knirschte frustriert mit den Zähnen. „Niemand hat etwas gesehen oder gehört“, gestand er. „Eine junge Frau “ – Lestrades Tonfall ließ keinen Zweifel daran, welchem Gewerbe besagte junge Dame nachging – „und ihr männlicher Begleiter haben Campbell eher zufällig hier hinten gefunden. Sie sind schreiend auf die Straße gerannt. Erst da haben wir Wind von der Sache bekommen.“
    „Haben Sie die Schleifspuren gesehen?“, fragte Holmes. Seine Finger deuteten auf den Schnee etwas außerhalb des Lichtkreises der Laternen.
    Der Inspektor warf meinem Freund einen zornigen Blick zu.
    „Wir sind nicht blind“, murrte er.

    Ich musste unwillkürlich daran denken, wie Holmes Lestrade und dessen großen Konkurrenten beim Yard, den aufstrebenden Inspektor Gregson, einst als die Einäugigen unter den Blinden bezeichnet hatte, wenn es um die kriminalistischen Fähigkeiten von Londons Polizei ging – nicht ohne anzufügen, dass die gefährlichsten Narren jene mit lediglich einem bisschen Verstand seien.
    „Natürlich haben wir die Spuren gesehen“, fuhr Lestrade indes fort. „Auch wenn wir uns keinen Reim auf sie machen können. Ebenso wenig wie auf die Wunden, mit denen Campbells Körper übersät ist.“
    „Klingen“, sagte Holmes abwesend und blickte zurück zu der Stelle, wo die sterblichen Überreste von Eddie Campbell lagen. „Kleine Schwerter und Äxte. Und mindestens ein Morgenstern, würde ich sagen, soweit das Licht eine entsprechende Klassifizierung der Waffen zulässt.“
    Ich erinnerte mich daran, wie Holmes vor einigen Jahren einmal mitten im Hochsommer mit einer riesigen Schweinehälfte in der Baker Street aufgekreuzt war und verschiedene Handwaffen – Äxte, Dolche, Schwerter und sogar einen Morgenstern – an dem Fleisch erprobte, das er wie einen Boxsack an einen Haken in der Wohnzimmerdecke gehängt hatte. Noch zwei Monate nach dieser unerschrockenen Feldstudie hatte es in unserer Wohnung wie in einem Schlachthaus gestunken.
    „Schauen Sie sich die Wunden genau an“, erklärte mein Freund in der Zwischenzeit gelassen, da Lestrade ihn entgeistert anstarrte. „Ich erkenne Axt- und Schwertwunden, wenn ich sie sehe. Einen Morgenstern sowieso. Hässliche Waffe, sage ich Ihnen, Lestrade, hässliche Waffe. Falls Sie mal wieder Streit mit Ihrer Frau haben ... hoffen Sie, dass Ihre Gattin keinen Morgenstern zur Hand hat und sich stattdessen darauf verlegt, Sie mit den Waffen einer Frau zu schlagen. Etwa, indem Sie Ihre Handschuhe versteckt ...“
    Der Inspektor räusperte sich übertrieben. „Ich hätte eher auf ein Bowiemesser spekuliert. Vielleicht auch eine Machete ...“
    „Messerklingen sind im Querschnitt anders aufgebaut als Schwerter. Lassen Sie es sich von einem Schmied erklären, wenn Sie möchten. Das waren vornehmlich Schwerter und Äxte, Inspektor. Und ...“
    „... und ein verdammter Morgenstern. Ja ja, ich habe es begriffen, Holmes, danke. Aber die Wunden sind doch viel zu klein! Was wollen Sie mir sagen? Dass sich ein paar irische Kobolde über einen kleinen Gauner hergemacht und ihn verstümmelt haben?“ Holmes sah den Inspektor ausdruckslos an. „Vielleicht sind ihre Vorstellungen auch nur zu groß“, bemerkte der Detektiv geheimnisvoll, ehe er mit seinen langen Beinen aus dem Hof schritt.
    Ich warf einen letzten Blick auf den armen Campbell im Schnee, verabschiedete mich von Lestrade und folgte meinem Gefährten in die kalte Nacht.

    „Wollen wir die Tür gleich aufmachen?“, fragte Holmes tags darauf nach dem Frühstück, ohne den Blick von der Zeitung zu heben, die er gerade nach verdächtigen Kleinanzeigen durchsuchte – ein festes Morgenritual, dem er auch nach seiner Rückkehr frönte. Wie er mit der Lücke umging, die seine Abwesenheit geschaffen hatte, wusste ich nicht. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Holmes, als er etwa Indien und Nepal bereist oder Ungarn und das Zarenreich besucht hatte, die Londoner Zeitungen

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