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Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel

Titel: Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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klirrende Dezemberkälte konnte die Nachtschwärmer davon abhalten, die Straßen mit dem Glanz des vergnügungssüchtigen Empires zu versehen. Trotz Schnee und Glätte war jedermann innerhalb der hell erleuchteten City irgendwohin unterwegs: von einem Ball oder einem Bridge-Abend zum nächsten, zu einer Galerie-Eröffnung oder Séance, einem Konzert oder – nun ja – einer Theateraufführung. Pferde zogen Droschken jedweden Modells über den Schnee und die darunterliegende, noch lauter knirschende Eisschicht; Paare hielten einander an den Mantelärmeln fest und schlitterten wie Kinder lachend über die vereisten Bürgersteige.
    Leben, Licht und Lachen nahmen spürbar ab, als Lestrades entschlossen über Schneehaufen und Eisflächen hinwegsetzender Bote uns langsam aber sicher von den gut frequentierten, florierenden Hauptstraßen fortführte, und wir nach einer Weile vornehmlich durch dunkle, stille Gassen mit gesichtslosen Hauswänden schritten, in denen sich die eiskalte Luft sammelte. Nach knapp zehn Minuten erreichten wir einen weiteren verschneiten Hinterhof, in dem immerhin ein bisschen Leben wimmelte: Gut zehn Polizisten in dunklen Mänteln rüttelten despotisch an Eingangstüren oder vernagelten Fenstern, die knapp außerhalb des Lichtscheins von fünf großen Blendlaternen auftauchten, die am schneebedeckten Boden standen.
    „Mr Holmes! Dr. Watson!“ Inspektor Lestrade eilte uns über Schnee und Eis entgegen und rieb sich die geröteten Hände. „Kalte Nacht, was? Hab’ meine Handschuhe zuhause auf dem Ofen liegen lassen.“ Er wackelte mit den Fingern. „Haben Sie in der letzten Stunde etwas gegessen?“, fragte er dann unvermittelt. Als Holmes und ich verneinten, lächelte Lestrade eleusinisch. „Gut. Kommen Sie.“ Was er uns kurz darauf an der Stelle zeigte, wo sich die Strahlen der fünf Laternen trafen, ließ seine Frage in einem völlig anderen Licht erscheinen: Die fünf Leuchten erhellten eine abscheuliche Bluttat, die durch das jungfräuliche Weiß des Schnees noch erschütternder und brutaler wirkte.
    Es war gewiss gut, dass ich seit dem frühen Nachmittag nichts Schwereres als ein Schinkensandwich zu mir genommen hatte.
    Im aufgewühlten, rot gefärbten Schneematsch lag die Leiche eines Mannes mit dem Gesicht nach unten bäuchlings im Schnee. Der Rücken, die Seiten und die Extremitäten des Toten waren in einem fürchterlichen Zustand und von Schnitt- und Stichwunden übersät, die Kleidung zerrissen und vom Blut durchweicht. Der Schnee starrte regelrecht vor rotem Lebenssaft. Ich hatte Männer in Afghanistan gesehen, die von wilden Tieren angefallen oder von Granatsplittern getroffen worden waren und trotzdem nicht so übel zugerichtet gewesen sind wie der Tote im Schnee.
    „Was ist denn diesem armen Teufel passiert?“, fragte ich bestürzt, während Holmes bereits vorsichtig am Rand des besudelten Bereichs im Schnee kauerte und wenig Schmeichelhaftes über die Gemeinsamkeiten von Polizistenstiefeln und Büffelhufen murmelte.
    „Wissen wir nicht.“ Lestrade hatte seine Hände inzwischen wieder in den Manteltaschen versteckt. „Ich weiß nur, dass das Gesicht unter den ganzen Kratzern und Stichwunden Edward ,Eddie‘
    Campbell gehört. Ein harmloser Ganove, der im kleinen Stil Diebesgut – minderwertigen Schmuck, billige Uhren und solcherlei Kram – verkauft. Nicht mal ein Hehler. Er wurde von uns immer geduldet, weil er uns schon wertvolle Hinweise geliefert hat. Damals zum Beispiel, als wir Edward Scissorhands dingfest machen konnten. Der entscheidende Hinweis kam von unserem Eddie hier. Armer Teufel.“
    „Also ist das hier ein Racheakt, weil er seine Kumpels einmal zu oft verpfiffen hat?“, mutmaßte ich, doch wieder zuckte Lestrade unter seinem schwarzen Mantel bloß mit den Schultern.
    „Woher hat Ihr Mann überhaupt gewusst, wo er uns finden würde?“ Diese Frage kam von Holmes, der nach wie vor am Boden kniete.
    „Ich lasse Ihr Haus rund um die Uhr beobachten und Sie beide beschatten. Wussten Sie das nicht, Mr Holmes?“, erwiderte Lestrade überrascht.
    Während ich einen Moment brauchte, um das seltene Aufflackern von Humor in den Worten des Inspektors zu erkennen, würdigte Holmes Lestrade nicht einmal einer Antwort.
    „Ihre Hauswirtin war so freundlich, uns zu sagen, dass Sie ins Theater gefahren sind, um sich diesen Oxforder Faust anzusehen“, erklärte Lestrade weiter. „Und auch wenn wir nicht über Ihre Kombinationsgabe verfügen, Holmes, genügte es in

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