Sherlock Holmes - Das ungelöste Rätsel
existierenden, seinem Edinburgher Medizindozenten Dr. Joseph Bell.
Bell war dafür berüchtigt, rein aufgrund von Beobachtungen Diagnosen abzugeben, bevor seine Patienten auch nur einen Ton sagten. Bell hat dem jungen Conan Doyle im Hörsaal als Erster die Kunst der Deduktion näher gebracht. Diese Demonstration einer scharfen Beobachtungs- und Schlussfolgerungsgabe beeindruckte Conan Doyle zutiefst.
Sherlock Holmes debütierte 1887 in Eine Studie in Scharlachrot im Beetons’s Christmas Annual und bedeutete einen Quantensprung für den analytischen Detektiv in der Unterhaltungsliteratur. Der britische Detektiv-Roman erlebte mit, dank und nach Holmes ein Goldenes Zeitalter. Der arrogante, dandyhafte Gentleman-Ermittler aus dem oberen Bereich des „britischen Kastensystems“, der „herabsteigt“ und die Arbeit gewöhnlicher Polizisten verrichtet, hat bis in die Gegenwartsliteratur überlebt. Allen voran natürlich der erwiesenermaßen ziemlich unsterbliche Sherlock Holmes.
Zwei Freunde
Es ist ihr gemeinsamer Bekannter Stamford, der Dr. John Hamish Watson und Mr Sherlock William Scott Holmes das erste Mal im Chemielabor des Londoner St. Bart’s Krankenhauses zusammenführt. Der verwundete Veteran Watson ist da gerade aus Afghanistan nach London zurückgekehrt, wo er eine neue Bleibe sucht. Stamford stellt Watson und Holmes einander vor, da auch der hochgewachsene, schlanke Mann mit dem Raubvogelgesicht einen Mitbewohner sucht, um die Miete zu teilen. So verschlägt es die beiden in die Obhut von Mrs Hudson und die berüchtigte Wohnung 221b in der Baker Street. Holmes und Watson teilen sich eine Weile die Räumlichkeiten am Ende der 17 Treppenstufen im ersten Stock, ehe Watson erfährt, welchem Beruf sein Mitbewohner nachgeht. Unmittelbar nach dem ersten Gespräch der beiden über Holmes’ Profession machen sich der Detektiv und sein künftiger Chronist und Freund erstmals gemeinsam auf, um Licht in die Finsternis zu bringen, die mit einem Verbrechen über das viktorianische London gekommen ist.
Erfolg
Das Zeichen der Vier. Es sollte jedoch bis 1891 und zum Erscheinen der ersten Holmes-Kurzgeschichte Ein Skandal in Böhmen – für viele die ultimative Holmes-Geschichte – dauern, ehe sich der beratende Detektiv und sein Gefährte in die Herzen der Menschen ermittelt hatten. Ab dieser Story (mit dem getarnten Prinzen von Wales und natürlich Irene Adler – für den sonst nicht gerade als Romantiker berüchtigten Holmes fortan immer die Frau) stieg Holmes’ und Watsons Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad mächtig an. Das lag nicht nur an Conan Doyles solider, wenn auch etwas behäbiger Schreibe oder seinem sympathischen Ich-Erzähler Watson. Es hatte auch damit zu tun, dass die Holmes-Erzählungen von Londoner Lokalkolorit durchdrungen sind und die Menschen es schon früher mochten, wenn eine Geschichte vor ihrer Haustür spielt (und dann auch noch zeitgenössische Persönlichkeiten und aktuelle Geschehnisse verarbeitet; uns indessen fasziniert heute das atmosphärische Zeitzeugnis der spätviktorianischen Ära).
Außerdem bröckelte das Empire zur Entstehungszeit dem 20. Jahrhundert entgegen und verlor seinen Glanz und seine globale Vormachtstellung. Conan Doyle stellte Britannien durch Watsons Augen dennoch als stolze, würdevolle alte Lady und durch die Brille britischen Nationalstolzes dar, obgleich er sich durchaus zu der einen oder anderen sozialkritischen Note hinreißen ließ. Auch der Glaube an die Wissenschaft und den Fortschritt, der in jeder Geschichte durchs Holmes’ wissenschaftlichmethodische Vorgehensweise zum Ausdruck kommt, traf den Nerv der Entstehungszeit. Zudem hatte es schon für die Holmes-Leser der ersten Stunde etwas Tröstliches, dass dem großen Sherlock Holmes kein Problem zu schwierig, keine Aufgabe zu groß war. Der Detektiv hat zwar kein Kostüm – wenngleich er sich regelmäßig verkleidet und mit seinen Tarnidentitäten in der Regel sogar den guten Watson narrt und keine Geheimidentität. Aber auf gewisse Weise ist Holmes eine Art urbaner viktorianischer Superheld, dessen Superkraft Verstand und Logik – und damit durch und durch menschlich – sind. Und wie wir wissen, braucht jedes Zeitalter seine [fiktiven] Helden – erst recht, wenn am Rand des Gesichtsfelds Dunkelheit und Verderbnis lauern und moderne, aber auch unsichere und unruhige Zeiten bevorstehen. Was um 1900 zweifellos der Fall war.
Starkes Klischee
Schon früh hatte Holmes mit
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