Sherlock Holmes - Der Vampir von Sussex
Hinwei-sen zu suc hen. Der alte Mann bat und bettelte, daß ich hinfahren sollte, aber ich habe ihm meine Schwierigkeiten erklärt. Er ist nun bereit, meinen Stellvertreter zu akzeptieren. «
»Ich habe nichts dagegen«, antwortete ich. »Ich muß zwar sagen, daß ich keine Ahnung habe, was ich dort Gutes tun könnte, aber ich bin willig, zu tun, was ich kann.« Und so kam es, daß ich mich eines Sommernachmittags auf den Weg nach Lewisham machte. Ich habe mir damals kaum träumen lassen, daß diese Affäre, auf die ich mich da einließ, innerhalb einer Woche in ganz England beredet werden sollte.
Erst spät am Abend kehrte ich in die Baker Street zurück und erstattete Bericht von meiner Mission. Holmes lange, dürre Gestalt war gemütlich im Sessel ausgestreckt, aus seiner Pfeife kräuselten sich beißende Tabakwolken, und seine Augenlider hingen so faul über den Augen, daß man fast annehmen konnte, daß er jeden Augenblick einschlafen wollte, es sei denn, daß er, wenn ihm etwas unklar war, es riskierte, die Lider halb hochzu- ziehen. Dann sahen mich zwei graue aufmerksame Augen hellwach an.
»Der Name von Mr. Josiah Amberleys Haus heißt >The Haven<«, erklärte ich. »Ich glaube, Holmes, es wird Sie interessieren. Es gleicht einem alten Patriarchen, der in der Gesellschaft derer, die eigentlich tief unter ihm stehen, noch tiefer gesunken ist. Sie kennen ja gerade diese Gegend. Die monotonen Steinhäu-ser, die traurigen Vorstadtstraßen. Mittendrin eine kleine Insel von alter Kultur und Komfort, und darin liegt das alte Haus, umgeben von einer sonne n-durchglühten Mauer, von Efeu und Moosen überwachsen, gerade die Art von Mauer -«
»Hören Sie mir mit der Poetik auf, Watson«, sagte Holmes streng. »Sie haben schon gesagt, daß es sich um eine hohe Steinmauer handelt.«
»Richtig. Und ich hätte auch nicht erfahren, daß es sich um >The Haven< handelt, wenn ich nicht einen Mann gefragt hätte, der in der Straße stand und rauchte. Ich habe Grund, ihn zu erwähnen. Er war ein großer, dunkler Mann, er sah eigentlich recht militärisch aus. Er nickte auf meine Frage und sah mich seltsam fragend an. Aber daran habe ich mich eigentlich erst später wieder recht erinnert.
Kaum hatte ich das Eingangstor betreten, als Mr. Amberley auch schon die Auffahrt auf mich zu herunterkam. Ich habe ihn heute morgen ja nur flüchtig gesehen und da machte er schon einen seltsamen Eindruck auf mich. Aber nun, im hellen Tageslicht, erschien er mir ein ab-normales Wesen zu sein. «
»Ich habe ihn mir natürlich auch angesehen, und doch wäre ich daran interessiert, Ihre Meinung zu hören«, sagte Holmes. »Er machte auf mich den Eindruck eines Mannes, der buchstäblich von Sorgen niedergedrückt worden ist. Sein Rücken war so rund, als ob er schwere Lasten mit sich herumtrug. Und doch war er nicht der Schwächling, den ich zunächst in ihm vermutet hatte, denn seine Schultern und Brust hatten den Knochenbau eines Giganten, obgleich dann die Beine klein und spindeldürr sind.«
»Linker Schuh verknittert, rechter Schuh glatt.«
»Das habe ich nicht gesehen.«
»Nein, klar, daß Sie das nicht haben. Aber ich habe das künstliche Bein wohl bemerkt. Aber fahren Sie fort.«
»Was mir aufgefallen ist, war sein graues, kräuseliges Haar, das wie Schlangen unter einem alten Strohhut hervorkam. Und dann sein Gesicht, mit dem wilden, erwartungsvollen Ausdruck und den tiefen Furchen. «
»Sehr gut, Watson. Was hat er gesagt?«
»Er fing damit an, seine traurige Geschichte vor mir auszubreiten. Wir gingen den Weg zusammen zu dem Haus, und ich sah mich um. Noch nie habe ich ein Haus gesehen, das mehr vernachlässigt worden ist. Im Garten ist lange kein Gärtner mehr tätig gewesen, er machte auf mich eher den Eindruck eines Stückchens wilder Natur als eines künstlichen Gebildes. Wie eine anständige Frau diesen Garten so hat verkommen lassen können, übersteigt mein Verstehen. Auch das Haus war im höchsten Grade schlampig gehalten. Aber dem armen Mann schien das peinlich zu sein und er hatte begonnen, etwas in Ordnung zu bringen, denn eine Dose mit grüner Farbe stand in der Mitte der Halle und er trug einen dicken Pinsel in seiner linken Hand. Er hatte das Holz gestrichen.
Er hat mich in sein scheußliches Zimmer geführt und dort haben wir uns lange unterhalten.
Natürlich war er sehr ent-täuscht, daß Sie nicht selber herunter gekommen sind. >Ich habe auch kaum erwartet, klagte er, >daß ein so schlichter Mensch, wie
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