Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
die Richtung fort, in der er Muirhurst Cottage vermutete, als mit einem Mal ein schmatzendes Geräusch hinter ihm erklang. Alarmiert fuhr er herum, doch außer grauem Dunst und schwarzer Nacht war nichts zu sehen. Er musste wohl tatsächlich schon Geister hören.
„Michael“, rief wieder jemand. Es hallte seltsam, so dass er kaum bestimmen konnte, ob die Stimme nah oder fern war, noch weniger, aus welcher Richtung sie kam.
Wer auch immer da mit ihm im Moor war, Biskuitt hatte keine Lust mehr auf Schabernack. Und auf Gespenster noch viel weniger. Er wollte aus der feuchten Kleidung raus, seinen Knöchel kühlen und sich mit einem heißen Tee wärmen, der auch gern einen Schuss Whisky enthalten durfte. Morgen Nacht konnte er einen neuen Versuch wagen, Lady Valerie zu finden. Vielleicht mit weniger Nebel, dafür aber mit einer Öllampe und einem dicken Knüppel gegen etwaige unerwünschte Gesellschaft.
Verbissen setzte er seinen Weg fort, da riss die Nebelwand vor ihm auf und eine Gestalt schälte sich deutlich daraus hervor. Scott Biskuitt stoppte abrupt und wollte schon zurückweichen, als er erkannte, wer da auf ihn zukam.
„Ach, Sie sind das. Haben Sie mir vielleicht einen Schrecken eingejagt. Könnten Sie mir wohl helfen, mein Fuß ...“ Der Nebel zog sich nun fast völlig zurück und gab den Blick auf einen nächtlichen Himmel und eine blasse runde Mondscheibe frei.
Sein Gegenüber antwortete nicht, sondern reichte ihm nur wortlos die Hand.
Trübe Nebelschwaden lagen noch immer über dem Moor. Die Luft war erfüllt von unheimlichen Geräuschen und dem modrigen Geruch fauligen Wassers. Die Laterne spendete nur wenig Licht, warf dafür umso bizarrere Schatten auf die Landschaft. Als sei der Fund zu ihren Füßen nicht schon grotesk genug.
Sherlock Holmes stieß den harten Körper mit seiner Stiefelspitze an. Leichenstarre war in diesem Fall weit untertrieben.
„Es ist unheimlich hier, finden Sie nicht, Holmes?“
„Reißen Sie sich zusammen Watson“, wies der Detektiv seinen Freund zurecht und zog die Brauen zusammen. „Das ist nur ein Moor, nichts weiter.“
Den Doktor überlief ein eisiger Schauer. Er blickte sich unruhig um, rieb sich unablässig über die Arme. So kannte Sherlock Holmes ihn gar nicht.
„Es ist nicht irgendein Moor, Holmes. Hier geht ein Geist um, schon seit Jahrzehnten. Haben Sie das etwa nicht gewusst?“ Nun musste Holmes lachen. „Aber, mein lieber Watson. Sie werden doch nicht an dieses Gruselmärchen glauben, wegen dem unser werter Duke mit diesem Medium Séancen abhält.“ Auch ihm war bekannt, dass hier seit vielen Jahren immer wieder eine Geisterfrau gesehen wurde, die an einigen wenigen Tagen im Jahr über das Moor schwebte und den Namen ihres Liebsten rief.
Der Duke of Chester besaß ein Faible für Gespenster und allerlei Hokuspokus. Umso mehr erstaunte es Holmes, dass er vor einigen Monaten den Kontakt zu ihm gesucht und ihn durch seinen Sekretär zu einer der Séancen eingeladen hatte, wo doch allgemein bekannt war, wie wenig Holmes von derlei Dingen hielt.
Trotz seiner Ungläubigkeit hatte sich jedoch schnell eine Freundschaft zwischen den beiden Männern entwickelt. Der Duke schätzte ihn als Mensch und wegen seiner logischen Herangehensweise an alle Dinge. Inzwischen ging er auf Muirhurst regelmäßig ein und aus.
Leider hörte Charles Morning nicht auf Holmes, was dessen Rat anging, diese Gruselmärchen nicht weiter zu forcieren. Kaum einer aus dem Dorf wagte sich inzwischen mehr ins Moor hinaus. Die Legende um Lady Valerie, ihren Geliebten und ihrer beider Mörder war lebendiger denn je.
Nichtsdestotrotz hatte die Lady sicher kaum etwas mit diesem Toten zu tun, es sei denn, sie trug permanent mehrere Eisblöcke mit sich herum. Der junge Mann befand sich in einem gefrorenen Zustand, als sei er mitten im Winter in einen See gefallen und beim Herausklettern augenblicklich erstarrt. Seltsam, das musste Holmes zugeben. Doch deshalb glaubte er noch lange nicht an die Beteiligung von paranormalen Wesen.
„Könnten wir uns dennoch etwas beeilen? Mir ist hier nicht wohl zumute. Fühlen Sie nicht auch diesen kalten Hauch. Wie der Tod.“
„Nun, Watson, dieser kalte Hauch mag von unserem Freund hier herrühren, den irgendjemand oder irgendetwas gefrostet hat.“ Während sich der Doktor ängstlich umschaute, warf Holmes ihm einen mitleidigen Blick zu und kniete neben der Leiche nieder. Der Duke of Chester hatte ihn im Vertrauen darum gebeten, den
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