Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
nicht einmal ein Wort des Grußes für ihn übrig. Charles Morning wirkte hilflos bei seinem Eintreten.
„Darf ich fragen, was Lady Morning so verärgert hat?“ Der Duke winkte ab. „Ein Bild. Ein simples Porträt von Lady Valerie ist es, worüber sie sich so aufregt. Wie lächerlich.“
„Vielleicht ist es Eifersucht, die sie treibt.“ Der Duke machte eine unwirsche Geste. „Eifersucht. Auf eine Tote. Finden Sie das nicht reichlich albern, Holmes?“
„Dürfte ich das Gemälde einmal sehen?“ Holmes überging bewusst die Frage von Charles Morning. Es bot sich eine unverhoffte Gelegenheit, die Identität seiner geisterhaften Besucherin zu überprüfen. Wenn sich die beiden Frauen wirklich so ähnlich sahen, wie es den Anschein hatte, war der Zorn von Lady Cecilia durchaus verständlich.
Der Duke nickte eifrig und hieß den Detektiv, ihm zu folgen. Das Corpus Delicti befand sich im großen Salon – dort, wo sich Holmes auch vergangene Nacht in der Vision gesehen hatte. Der Anblick ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Nicht nur, dass die Lady auf dem Bild Lady Morning tatsächlich verblüffend ähnlich sah, es entsprach auch exakt der Dame, die ihn im Arbeitszimmer aufgesucht hatte.
Die Tatsache verwirrte und faszinierte ihn gleichermaßen. In seiner langen Laufbahn als Detektiv hatte er gelernt, dass es selten echte Zufälle gab. Und sein Instinkt sagte ihm überdies, dass hier einiges nicht so war, wie es auf den ersten Blick schien.
Nachdenklich betrachtete er das Bild, trat schließlich näher und runzelte die Stirn, während er konzentriert jedes Detail in sich aufnahm. Er war sich sicher, dieses Bild konnte einen wichtigen Hinweis liefern. Auch wenn ihm noch nicht klar war, welchen.
„Woher haben Sie es?“
„Ein Glücksfall“, jubelte der Duke. „Mein Sekretär, Norton, hat es zufällig gestern in einer Galerie entdeckt.“ Holmes fragte sich, welche Galerie wohl ein solches Gemälde ausstellte und weshalb Norton eine solche aufsuchte. Doch das spielte augenblicklich keine Rolle. Vermutlich hatte der Sekretär auf Anweisung seines Brotgebers gehandelt und in den letzten Monaten London – auf der Suche nach Hinweisen zu Lady Valerie – auf den Kopf gestellt.
„Erst wollte ich es kaum glauben. Diese Ähnlichkeit mit Cecilia.
Unfassbar. Doch seine Echtheit ist belegt. Es ist wirklich Lady Valerie, Countess of Muirhurst.“
Die Euphorie des Dukes beunruhigte Holmes. Er wollte sie nicht unnötig schüren, doch andererseits galt es, einen Fall zu lösen. Zwei inzwischen, wenn man es genau nahm. Nicht nur der Duke war sein Auftraggeber, sondern seit gestern Abend auch Lady Valerie.
„Was ist das für ein Medaillon, das sie trägt? Wissen Sie das, Charles?“, fragte er daher.
„Sicher“, erklärte dieser. „Dieses Medaillon – ihr Amulett – ist der Schlüssel. Um den Stein in der Mitte, den blauen Kristall, ranken sich die Legenden der Eisprinzessin. Es heißt, dass er lebende Menschen erstarren ließ.“
Damit bestätigte er Holmes’ Vermutung, dass es sich um das Siegel handelte, welches Lady Valerie suchte.
„Ach, darum Ihre Reaktion auf den Toten im Moor.“ Charles Morning nickte heftig. „Wissen Sie, Holmes. Ich war ebenso schockiert wie erfreut über diesen Fund. Bedeutete er doch, dass die Geschichten der Wahrheit entsprechen. Es gibt dieses Amulett.
Das Siegel der Unsterblichkeit. Und wenn dieses existiert, dann auch der Geist von Lady Valerie.“
„Wissen Sie Näheres über dieses Schmuckstück? In den Geschichten wird es eher beiläufig erwähnt.“
„Aber ja“, zeigte sich Charles Morning sofort begeistert. „Lady Valerie war seine Hüterin. Der Mord an ihr und ihrem Liebsten soll nur wegen des Amuletts begangen worden sein. Es verleiht seinem Träger Unsterblichkeit, indem der Kristall fremdes Leben aufsaugt. Zurück bleibt die Todesstarre. Mehr sogar – alles gefriert, was mit der Kraft des Siegels konfrontiert wird. Ich habe ein Buch darüber. Dieser Geisterjäger – seine Leiche entsprach genau den Schilderungen.“ Holmes bedauerte es fast, die Begeisterung seines Freundes dämpfen zu müssen, aber er würde es wohl ohnehin bald aus der Times erfahren. „Charles, offenbar bringt nicht nur das Siegel diesen Zustand mit sich.“
Der Duke stockte angesichts Holmes’ ernstem Gesichtsausdruck.
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Ich hatte vielleicht eine Begegnung mit ihrem Geist“, begann er vorsichtig.
„Aber Holmes! Das ist
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