Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
Zimmer.
„Holmes, was ist hier passiert? Überall ist Eis.“ Beide Männer sahen sich sprachlos um. Nicht nur der Boden, auch Tisch, Sessel, das Bett, sogar Holmes’ Meerschaumpfeife, die er am Abend zuvor noch geraucht hatte, waren mit einer dicken Eisschicht überzogen.
„Dann ist es also wahr!“, stellte Holmes fest.
„Was? Was ist wahr?“
„Watson! Ich fürchte wir brauchen in den nächsten Tagen sehr warme Kleidung. Und beten Sie, dass wir der Aufgabe gewachsen sind, die man uns hier stellt.“
Holmes schilderte seinem Freund mit wenigen Worten von der Erscheinung.
„Sie haben mit der Eisprinzessin gesprochen?“ Holmes räusperte sich. „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich hatte einen ... Traum.“
„Sie meinen eine Vision im Kokainwahn.“ Watsons Stimme nahm einen säuerlichen Tonfall an, doch seine Sorge überwog den Ärger.
„Sind Sie sicher, dass es Lady Valerie war?“ Holmes musste verneinen. Doch wenn sie es nicht war, lag die Vermutung nahe, dass sich Cecilia Morning als die Eisprinzessin ausgegeben hatte. Blieb die Frage, warum sie das tun sollte und wie es ihr gelungen war. Und vor allem, wie sie den Geisterjäger gefrostet hatte und danach sein Heim in eine Eiszeit verwandelte. Sämtliche Antworten darauf waren noch unwahrscheinlicher als von einem Geist auszugehen. Also blieb ihm erst einmal nichts anderes übrig, als dieser These den Vorrang zu geben.
„Sie sprach von einem Siegel der Unsterblichkeit.“
„Mhm!“ Watson rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ich erinnere mich, dass ein Amulett in den Geistergeschichten Erwähnung findet.
Der Duke weiß sicher mehr darüber. Ich kenne die Legende von der Eisprinzessin nur sehr vage, weil wir eine Weile in der Nähe von Muirhurst gelebt haben, als ich noch ein Kind war.“ Holmes war froh, dass sein Freund überhaupt etwas darüber wusste, denn er selbst tappte noch völlig im Dunkeln. Darum wollte er beim Frühstück gern alles erfahren, woran sich Watson noch erinnerte. Vielleicht ergab sich daraus eine Spur, der sie folgen konnten.
Mrs Hudson regte sich den halben Morgen über die gefrorene Einrichtung auf, die andere Hälfte verbrachte sie mit Wischen, denn nachdem Holmes kurzerhand den alten Holzofen anheizte und das Eis zu tauen begann, stand die Baker Street 221b praktisch unter Wasser. Immerhin, zumindest konnte man dem Frost entgegenwirken und brauchte nicht innerhalb des Hauses im Wintermantel herumzulaufen. Diesen Gedanken hatten offenbar auch die übrigen Anwohner der Baker Street, denn aus allen Kaminen stieg Rauch empor und es wurden literweise Eimer mit Wasser nach draußen geschüttet, was die Straße zunehmend schwerer passierbar machte.
„Was tun wir jetzt Holmes?“, fragte Watson, nachdem er sein spärliches Wissen vor dem Detektiv ausgebreitet hatte.
„Nun, Watson. Uns bleibt wohl keine andere Wahl, als der Bitte von Lady Valerie Folge zu leisten.“
„Kaum zu glauben, dass Sherlock Holmes, der für jede noch so unglaubliche Situation eine logische Erklärung findet, einmal an das Übersinnliche glauben wird.“
Diese Bemerkung nahm Holmes seinem Freund durchaus übel.
„Angesichts der Umstände bleibt mir keine andere Wahl, Watson, als es zumindest in Erwägung zu ziehen. Doch seien Sie versichert, dass ich dabei die Logik nicht außer Acht lasse. Sollte ich eine andere Erklärung finden, werde ich mit Freude diesem Spuk den Rücken kehren.“ Trotz der misslichen Umstände musste Watson lachen, wurde im nächsten Moment aber wieder sehr besorgt. Auch Holmes fand sich seufzend damit ab, dass es eher unwahrscheinlich war, die übersinnliche Note auch dieses Mal zu widerlegen.
„Die Auswirkungen sind nicht abzusehen. Die ganze Baker Street ist betroffen, vielleicht sogar noch mehr als das, wenn ich die Worte von Lady Valerie richtig deute. Und ich habe kaum einen Ansatzpunkt. Wie soll ich diesen Michael finden?“ Watson schlug zunächst den Friedhof vor, wo Michael MacGregor beerdigt worden war. Vielleicht gab sein Grab einen ersten Hinweis. Wenn nicht, mussten sie wohl dort anfangen, wo es begonnen hatte. In Muirhurst Cottage und dem umliegenden Moor.
Am frühen Nachmittag fuhren Holmes und Watson zum Bunhill Fields Friedhof, wo der Leichnam von Michael MacGregor vor fast zweihundert Jahren beigesetzt worden war. Mit einer Mischung aus Freude und Besorgnis registrierten sie, dass sich die Eiszone bislang noch nicht über die Baker Street hinaus ausgebreitet hatte. Doch wie lange mochte
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