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Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel

Titel: Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alisha Bionda
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geistesabwesend ab, er sei zwar ein Gelehrter, aber kein Professor, dann folgte er dem Polizisten zu der Stelle, wo Netherbys sterbliche Überreste auf einem Wollteppich gelegen hatten.
    Mir schien – aber das mochte eine optische Täuschung sein – dass inmitten des Lampenlichts eine violette Fluoreszenz über der Stelle schwebte und wie eine Masse von Seifenblasen hin und her wolkte.
    Der widerwärtige Geruch der Leiche hatte sich in die Fasern gesogen und stieg in Schwaden auf, als unser Herzutreten die Luft in Bewegung brachte. Selten war mir etwas derartig Grauenhaftes in die Nase gestiegen, obwohl ich in Afghanistan doch die Gräuel des Krieges kennen gelernt hatte und vor dem Geruch des Todes nicht zurückschreckte. Denn in die Fäulnis, die sich aus den Fasern löste, mischte sich eine intensive, morbide Süße wie der Duft jener schauerlichen Blumen, die man Leichenlilien nennt. Entsetzt spürte ich, wie dieses Gemisch eine schmierige Schicht auf meiner Stirn, meinen Händen und – ja, meinen Gedanken zu bilden begann!
    Etwas Weiches, Schwabbelndes, ungemein Fleischiges schien meinen Körper von außen zu umfangen, mit lüsternen Tentakeln tastend, und zugleich von innen in mir hoch zu kriechen. Wie soll man das Gefühl schildern, dass sich ein fetter Wurm im Leib aufwärts windet und dann durch Hals und Nacken ins Gehirn kriecht, das er mit den tausend Verästelungen seiner Tentakel erfüllt? Wie kann man das Entsetzen eines Krebsgeschwürs in Worte fassen, welches, die inneren Organe fühlbar liebkosend, den Körper zerfrisst?

    Ich darf mich einen anständigen, ja ein wenig prüden Mann nennen. Aber als dieser Geruch durch die Luft emporkroch und mich erreichte, da zogen so widerliche, so abwegige Gedanken durch meinen Kopf, dass ich vor mir selber zurückwich. Und nicht nur ich! Der Polizist errötete bis hinter die Ohren, der Priester blickte schamerfüllt und tief bedrückt zu Seite, und Holmes – mein kaltblütiger, von aller Sinnenlust unberührter Freund Holmes machte plötzlich den Eindruck eines Mannes, der von allen Seiten ein widerliches Geziefer an sich hochkriechen und sich wider Willen erregt fühlt. Was wohl geschehen wäre, hätten wir nicht die Schutzmasken getragen, weiß ich nicht. Doch ich bin überzeugt, dass wir uns bis ans Ende unserer Tage für unsere Gedanken und Gefühle an diesem Nachmittag geschämt hätten. Und wer weiß, ob der Unhold es nicht zu Stande gebracht hätte, dass wir uns auch für Taten schämen müssten! Ich wage nicht daran zu denken …
    Holmes erkannte augenblicklich, dass wir in großer Gefahr waren.
    Er deutete uns, ihm zu folgen, und wir eilten die Treppe hinunter zur Haustür. Ich bekam eben die Klinke zu fassen, als etwas Weiches, Schmeichelndes und zugleich Kraftvolles spürbar über meine Hand hinwegglitt, mir die Klinke entzog, plötzlich die Tür aufriss und gleich darauf mit einer Wucht ins Schloss knallte, dass Staub aus den Ritzen des Türstocks rieselte. Ich bildete mir ein, eine Wolke zu sehen, die aus dem Nichts hervorwallte und wieder in diesem verschwand – dicht genug, um erkennbar zu sein, aber längst nicht dicht genug, um eine solche Kraft an den Tag zu legen. Später gab ich mir die Erklärung, dass dieses Wesen teilweise materiell und sichtbar, zu einem größeren Teil aber unsichtbar gewesen war, reine spirituelle Energie von der übelsten Sorte. Auf jeden Fall versperrte es uns den Ausgang.
    Selten hatte ich Holmes so alarmiert gesehen, es sei denn im Fall
    „Teufelsfuß“, als wir beide nahe daran gewesen waren den Verstand zu verlieren. Er packte einen Stuhl und schleuderte ihn gegen das Fenster neben der Haustür. Das schwere, geschnitzte Möbelstück flog etwa einen Meter weit durch die Luft und prallte zurück wie ein Federball.
    Holmes konnte gerade noch beiseitespringen, ehe es hinter ihm ins Treppengeländer krachte und dessen unteren Teil in einen Haufen Holztrümmer verwandelte.

    Wir rannten auseinander, versuchten es an der Hintertür, an den Fenstern im Erdgeschoss und im Souterrain – vergeblich. Dem Unsichtbaren schien es Vergnügen zu bereiten, uns vorauszueilen und uns zurückzuwerfen, sobald wir ein Fluchtloch erreicht hatten. Und die ganze Zeit über breiteten sich diese unaussprechlichen Gedanken und Empfindungen in uns aus, wurden dichter und dichter. Wie eine kompakte Masse füllte der unsichtbare Schleim unsere Köpfe, verzehrte unsere Gehirne. Schlimmer noch, er steckte unsere Seelen mit seiner Fäulnis

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