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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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nur aus Höflichkeit einen Herrn; es war ein ganz gewöhnlich aussehender Mensch, den ich kaum bemerkt hatte. Aber ich glaube, wir schweifen ziemlich weit von unserem Ziel ab.«
    »Ihre Gemahlin war also bei der Rückkehr von der Trauung in einer weniger heiteren Stimmung als auf dem Hinweg. Was tat sie nach der Ankunft im väterlichen Haus?«
    »Da sah ich sie im Gespräch mit Alice, ihrem amerikanischen Kammermädchen, das sie aus Kalifornien mitgebracht hat.«
    »Wohl eine vertraute Dienerin?«
    »Ja, nur etwas zu sehr. Mir scheint, sie gestattet sich ihrer Herrin gegenüber große Freiheiten. Doch sieht man derartige Verhältnisse in Amerika natürlich etwas anders an.«
    »Wie lange dauerte dieses Gespräch?«
    »Nur ein paar Minuten. Ich dachte gerade an etwas anderes.«
    »Sie haben nicht gehört, wovon sie sprachen?«
    »Meine Frau sagte etwas von ›in fremdes Gehege kommen‹. Ich habe keine Ahnung, was sie damit meinte.«
    »Und was tat Ihre Gemahlin nach dem Gespräch?«
    »Sie begab sich in das Speisezimmer.«
    »An Ihrem Arm?«
    »Nein, allein. In solchen Kleinigkeiten war sie sehr selbstständig. Wir mochten etwa zehn Minuten bei Tisch gesessen haben, als sie eilig aufstand, einige Worte der Entschuldigung murmelte und den Saal verließ, um nicht wiederzukehren.«
    »Wenn ich recht verstanden habe, so ist sie nach Aussage des Kammermädchens auf ihr Zimmer gegangen, hat einen langen Mantel über ihr Brautkleid geworfen, einen Hut aufgesetzt und das Haus verlassen.«
    »Ganz richtig. Darauf wurde sie noch im Hyde Park zusammen mit der Flora Millar gesehen, die an jenem Vormittag bereits in Mr Dorans Haus eine Störung verursacht hatte und inzwischen verhaftet worden ist.«
    »Ganz richtig. Ich darf Sie wohl um etwas genauere Auskunft über diese junge Dame und Ihre Beziehungen zu derselben bitten.«
    Lord St. Simon zuckte die Achseln und zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wir haben ein paar Jahre lang auf freundschaftlichem Fuß miteinander gestanden – ich darf wohl sagen: auf sehr freundschaftlichem Fuß. Sie war meist am ›Allegro‹ beschäftigt. Ich habe nicht unnobel an ihr gehandelt, und sie hatte keinen triftigen Grund zur Klage über mich, aber Sie wissen ja, wie die Weiber sind, Mr Holmes. Flora war ein liebes kleines Ding, allein äußerst hitzköpfig und von einer blinden Anhänglichkeit an mich. Sie schrieb mir schreckliche Briefe, als sie erfuhr, dass ich im Begriff stehe, mich zu verheiraten; und, um die Wahrheit zu sagen, der Grund, warum ich die Hochzeit so in der Stille feiern ließ, war, dass ich fürchtete, es möchte einen Skandal in der Kirche geben. Gerade wie wir von dort zurückkehrten, erschien sie vor Mr Dorans Haus und versuchte, sich unter höchst unziemlichen, ja sogar drohenden Äußerungen gegen meine Gattin daselbst einzudrängen; allein ich hatte etwas dergleichen geahnt und deshalb zwei Polizisten in bürgerlicher Kleidung aufgestellt, die sie wieder fortbrachten. Sie beruhigte sich schließlich, als sie sah, dass sie mit dem lärmenden Auftritt doch nichts ausrichte.«
    »Hat Ihre Gattin das alles mit angehört?«
    »Nein, Gott sei Dank, das nicht.«
    »Und mit eben dieser Person hat man sie nachher gehen sehen?«
    »Jawohl. Dies ist auch der Punkt, den Mr Lestrade als so schwerwiegend ansieht. Man nimmt an, Flora habe meine Frau in irgendeine schreckliche Falle gelockt.«
    »Nun, das wäre freilich möglich.«
    »Sie sind also auch dieser Ansicht?«
    »Für wahrscheinlich halte ich es gerade nicht; aber wie denken Sie selbst darüber?«
    »Ich glaube, Flora könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.«
    »Die Eifersucht bewirkt aber doch oft ganz merkwürdige Veränderungen im Charakter des Menschen.«
    »Sollte Ihnen das Glück beschieden sein, die Lösung dieses Rätsels zu finden ...«, fuhr unser Besuch fort, indem er sich erhob.
    »Ich habe sie gefunden«, unterbrach ihn Holmes.
    »Wie? Höre ich recht?«
    »Ich habe sie gefunden, sage ich.«
    »Nun, wo ist denn meine Frau?«
    »Auch auf diesen weiteren Punkt werde ich die Antwort nicht lange schuldig bleiben.«
    Lord St. Simon schüttelte das Haupt. »Ich glaube doch fast, dazu gehört mehr Weisheit als Sie oder ich im Kopf haben«, versetzte er. Dann zog er sich mit einer vornehmen, altmodischen Verbeugung zurück.
    »Es ist wirklich recht gnädig von Seiner Lordschaft, dass er meinem Kopf die Ehre erweist, ihn mit dem seinigen auf eine Stufe zu stellen«, meinte Sherlock Holmes lachend. »Auf dieses lange

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