Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
Vom Netzwerk:
ich denken soll. Es ist mir völlig rätselhaft.«
    »Nun, vielleicht wird es Ihnen doch mit der Zeit klarer werden. – Was halten Sie davon, Miss Holder?«
    »Ich gestehe, dass ich vorläufig noch ebenso wenig klug daraus werde wie mein Oheim.«
    »Ihr Sohn hatte keine Schuhe oder Pantoffeln an, als Sie ihn überraschten?«, fragte er darauf Mr Holder.
    »Nichts als Hosen und Hemd.«
    »Danke. Wir sind bei der Untersuchung wirklich außerordentlich vom Glück begünstigt, und es wird lediglich unsere eigene Schuld sein, falls es uns nicht gelingt, die Sache aufzuklären. Wenn Sie erlauben, Mr Holder, will ich jetzt meine Nachforschungen draußen fortsetzen.« Wir ließen ihn dabei auf seine ausdrückliche Bitte wiederum allein; er hatte nämlich erklärt, dass alle unnötigen Fußspuren ihm seine Aufgabe möglicherweise erschweren könnten. Eine Stunde oder darüber brachte er damit zu, dann kam er zurück mit einer Masse Schnee an den Stiefeln und einer Miene, die völlig undurchdringlich war.
    »Ich habe, glaube ich, jetzt alles gesehen, was es zu sehen gibt, Mr Holder«, sagte er, »ich kann nun nichts Besseres für Sie tun, als wieder nach Hause zu gehen.«
    »Aber die Steine, Mr Holmes, wo sind sie?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    Der Bankier rang die Hände. »Ich sehe sie nie wieder!«, rief er aus. »Und mein Sohn? Sie geben mir Hoffnung?«
    »Meine Überzeugung hat sich nicht im mindesten geändert. Wenn Sie mich morgen Vormittag zwischen neun und zehn Uhr in meiner Wohnung besuchen können, so werde ich Ihnen mit Vergnügen Aufschluss darüber geben, soweit dies irgend in meinen Kräften steht. Doch setze ich dabei voraus, dass Sie mir unbeschränkte Freiheit lassen, für Sie zu handeln und jede Summe auf Sie zu ziehen, die ich für erforderlich halte.«
    »Mein ganzes Vermögen gebe ich hin, wenn ich die Steine wiedererlange!«
    »Ganz gut; ich werde inzwischen die Sache weiter zu ergründen suchen. Leben Sie wohl. Es kann leicht sein, dass ich vor Abend noch einmal hierher kommen muss.«
    Ich erkannte klar, dass mein Freund sich nunmehr seine Ansicht über den Fall gebildet hatte, obwohl ich mir von seinen Schlussfolgerungen auch nicht einmal eine dunkle Vorstellung zu machen vermochte. Mehrmals bemühte ich mich auf unserer Heimfahrt, ihn darüber auszuhorchen, aber er ging immer wieder unmerklich auf einen anderen Gegenstand über, bis ich es schließlich als hoffnungslos aufgab. Vor drei Uhr befanden wir uns bereits wieder zu Hause. Er eilte auf sein Zimmer und erschien schon nach wenigen Minuten wieder in der Verkleidung eines gewöhnlichen Trödlers. Mit seinem aufgeschlagenen Kragen, seinem ausgewaschenen, fadenscheinigen Rock, dem roten Halstuch und den abgetragenen Stiefeln war er ein vollendetes Muster dieser Menschenklasse.
    »Ich denke, so wird es gehen«, sagte er, in den Spiegel über dem Kamin blickend. »Ich wünschte nur, Sie könnten mich begleiten, Watson, aber ich glaube, es ginge doch nicht wohl an. Jedenfalls werde ich bald wissen, ob ich in dieser Sache auf der richtigen Spur bin oder einem Irrlicht nachjage. Ich hoffe, in ein paar Stunden bin ich wieder da.« Er steckte sich ein belegtes Brötchen in die Tasche und machte sich auf den Weg.
    Ich hatte eben meinen Tee getrunken, als er wieder eintraf, sichtlich in trefflicher Laune, einen alten Zugstiefel in der Hand schwingend, den er sofort in eine Ecke warf, um sich eine Tasse Tee einzuschenken. »Ich bin nur im Vorbeigehen schnell auf einen Augenblick hereingekommen. Ich muss sogleich weiter.«
    »Wohin?«
    »Hinüber nach der anderen Seite des Westends. Ich bleibe vielleicht ziemlich lange aus. Warten Sie nicht auf mich, falls ich spät heimkomme.«
    »Wie macht sich die Sache?«
    »Ganz leidlich. Kann nicht klagen. Ich bin seither draußen in Streatam gewesen, aber ohne im Haus vorzusprechen. Ein allerliebster kleiner Fall, den ich nicht um vieles hergäbe! Aber ich darf die Zeit hier nicht verplaudern und muss aus dieser schnöden Hülle wieder in meine anständigen Kleider schlüpfen.«
    Sein Wesen zeigte mir, dass er mehr Grund zur Befriedigung hatte als seine Äußerungen erraten ließen. Es zuckte in seinen Augen, und auf seinen blassen Wangen zeigte sich sogar eine Spur von Farbe. Rasch ging er nach oben, und schon nach wenigen Minuten hörte ich an dem Zuschlagen der Haustür, dass er sich bereits wieder an die Verfolgung des Zieles gemacht hatte, das auf seinen Scharfsinn eine so unwiderstehliche Anziehung ausübte.

Weitere Kostenlose Bücher