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Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Sherlock Holmes - gesammelte Werke

Titel: Sherlock Holmes - gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaconda
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erzählen Sie uns Ihre Erlebnisse.«
    »Das will ich, und ich muss mich damit beeilen, denn ich habe Mr Rucastle versprochen, um drei Uhr zurück zu sein. Er erlaubte mir heute Vormittag, in die Stadt zu fahren; natürlich hatte er keine Ahnung, zu welchem Zweck.«
    »Erzählen Sie uns nur alles hübsch in der Reihe«, wiederholte Holmes, indem er seine Beine am Feuer ausstreckte und sich zum Zuhören zurechtsetzte.
    »Ich möchte gleich vorausschicken«, begann Miss Hunter, »dass mir im Großen und Ganzen keinerlei schlechte Behandlung von Mr und Mrs Rucastle widerfahren ist. Gerechterweise muss ich das hervorheben. Allein ich werde nicht klug aus den Leuten und fühle mich daher beunruhigt.«
    »Was kommt Ihnen unverständlich vor?«
    »Die Gründe für ihr Verhalten. Doch ich will Ihnen alles ganz genau berichten. Bei meiner Ankunft hier holte mich Mr Rucastle in seinem Jagdwagen nach Copper Beeches ab. Die Umgegend ist allerdings schön, wie er gesagt hatte, das Haus selbst aber durchaus nicht freundlich, nur ein plumpes viereckiges Gebäude, dessen weiße Tünche überall mit Flecken und Streifen von innerer und äußerer Feuchtigkeit durchzogen ist. Ringsherum ist ein freier Platz, dann erstreckt sich auf drei Seiten Wald, auf der vierten ein Feld bis zur Straße nach Southampton, die auf etwa hundert Schritt Entfernung im Bogen am Einfahrtstor vorbeiführt. Die Anlagen auf der Vorderseite gehören zum Haus, während die Wälder ringsum Lord Suthertons Privateigentum sind. Gerade vor dem Haupteingang des Hauses steht eine Gruppe Blutbuchen, von denen das Anwesen seinen Namen hat. – Während der Fahrt war Mr Rucastle, der selbst kutschierte, äußerst liebenswürdig, und noch am selben Abend stellte er mich seiner Frau und seinem Kind vor. Die Vermutung, die uns bei meinem Besuch bei Ihnen so naheliegend erschien, hat sich nicht bestätigt. Mrs Rucastle ist nicht geisteskrank. Ich fand in ihr eine stille, blasse Frau, die offenbar noch nicht dreißig Jahre alt, also bedeutend jünger ist als ihr Mann, der wohl kaum weniger als fünfundvierzig zählen wird. Aus dem Gespräch der beiden entnahm ich, dass sie seit ungefähr sieben Jahren verheiratet sind, dass er Witwer war und aus erster Ehe die eine Tochter hatte, die sich nun in Philadelphia befindet. Unter vier Augen teilte mir Mr Rucastle mit, der Grund, der sie fortgetrieben habe, sei eine ganz unvernünftige Abneigung gegen ihre Stiefmutter. Da die Tochter nicht unter zwanzig Jahren alt gewesen sein kann, lässt sich denken, dass ihre Stellung gegenüber der jungen Frau ihres Vaters nicht die angenehmste war. Mrs Rucastles geistiges Wesen ist genau so farblos wie ihr Gesicht. Sie machte gar keinen Eindruck auf mich, weder in günstigem noch in entgegengesetztem Sinn. Sie ist eine völlige Null. An ihrem Gatten und ihrem kleinen Jungen hängt sie sichtlich mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit. Unablässig wandern ihre hellgrauen Augen von dem einen zum anderen, um ihnen jeden geringsten Wunsch an den Augen abzulesen und demselben wenn möglich zuvorzukommen. Er seinerseits ist gegen sie ebenfalls gut in seiner plumpen, ungestümen Weise, und so musste ich sie im Ganzen für ein glückliches Paar halten. Und doch hatte sie eine geheime Sorge, diese Frau. Oft saß sie ganz in Gedanken verloren mit dem allertraurigsten Ausdruck da, mehr als einmal habe ich sie in Tränen getroffen. Manchmal dachte ich schon, sie betrübe sich so über die Sinnesart ihres Knaben, denn ein so gänzlich verdorbenes, bösartiges, kleines Wesen ist mir noch nie vorgekommen. Er ist klein für sein Alter, hat aber einen ganz unverhältnismäßig großen Kopf. Ausbrüche wilder Leidenschaft und finsterer Trotz wechseln unaufhörlich bei ihm. Geschöpfe, die schwächer sind als er, zu quälen, ist das einzige Vergnügen, nach dem er strebt, und für den Fang von Mäusen, kleinen Vögeln und Insekten verrät er eine ganz bemerkenswerte Begabung. Doch ich will über diesen Jungen lieber keine Worte mehr verlieren, er hat ja auch mit meiner Geschichte nur wenig zu schaffen.«
    »Ich bin dankbar für alle Einzelheiten«, bemerkte mein Freund, »ganz gleich, ob dieselben Ihnen wichtig erscheinen oder nicht.«
    »Ich werde mich bestreben, nichts von Bedeutung zu übergehen. Das einzige Unangenehme im Haus, was mir sogleich auffiel, war das Aussehen und Benehmen der Dienerschaft. Diese besteht nur aus einem Mann und dessen Frau. Toller, so heißt er nämlich, ist ein rauer, wunderlicher

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